Clean Up the World

10. Oktober 2016

Von der Embalse de los Bermejales zur Embalse de la Viñuela

Den Morgen begrüßte ich abgesehen von den üblichen Hinterlassenschaften mit einem ebenso reichhaltig belegten Bocadillo, wie auch schon am Vorabend. Ich verabschiedete mich zügig vom Campingplatz, den Toilettenhäuschen und jenen Leuten, die für ihre Sauberkeit sorgen sollten. Ich schaute noch auf eine schnelle Fotosession am Stausee vorbei, der in der Mittagssonne von einem dermaßen türkisfarbenen Blau durchdrungen war, als hätte jemand mehrere Tonnen Gletschereis-Bonbons darin versenkt und machte mich frohen Mutes an die Berge dieses Tages.

Embalse de los Bermejales
goldgelbe Felder
Nach ein paar hübschen Ausblicken auf goldene Felder, in der Sonne leuchtende Ortschaften und all dem was sich jenseits dieser Landschaftsarten bewegt und sich im allgemeinen „Jagdgebiet“ schimpft (wahrscheinlich weil man in Spanien partout nicht damit zurecht kommt, die Natur auch einfach mal Natur sein zu lassen, ohne sie gleich in irgendeine Schublade stecken zu müssen), überfiel mich, als ich durch immer üblere, müllverseuchte Gegenden fuhr, eine Art Anfall, diesem Schlamassel nun endlich jene Aufmerksamkeit zu schenken, die es leidlich verdiente.

Clean Up the World
Wo sich sonst die Ignoranz, die Eile und der Ekel bemerkbar machen, hielt ich fortan an, schnürte den ganzen Mist dilettantisch auf Alfreds Rücken und zog auch mal den einen oder anderen Umweg in Betracht, um alles wieder los zu werden. Ich hatte meiner Radreise einen neuen Sinn gegeben. Nicht, dass ich diesen unbedingt brauchte. (Vielleicht brauchte ich ihn auch?) Aber es fühlt sich einfach gut an, endlich jenes zu tun, worüber ich bisher immer nur nachgedacht hatte.

Danke Josie! Die ganzen Abfälle, die du immer von deinen Hundespaziergängen durch die Pampa mitbrachtest, haben mir eventuell den nötigen Anstoß gegeben.

Clean Up the World
Natürlich wär ich nicht ich, wenn ich nicht auch bei diesem Unterfangen leicht zum Übertreiben neigen würde: So gesellten sich also an diesem Nachtmittag außer dem bereits für mich zusammengeschnürten Sack Bier- und Thunfischdosen noch ein Karton mit „was-weiß-ich-was“ drin, gespickt durch einen alten Kronenleuchter und ein paar Gummistiefeln auf Alfred’s Gepäckträger.

Da ich nun irgendwie das Gefühl hatte, den schiefen Turm von Pisa auf meinem Rad spazieren zu fahren, der bei jeder Abfahrt immer mehr an Schlagseite gewann, musste ich über eine Optimierung nachdenken. Ich wollte die Sache ja schließlich fortführen, ohne den ganzen Mist wieder auf der Straße zu verteilen. Das wäre nicht im Sinne des Erfinders gewesen.

Das Universum war mir und meinem Vorhaben wohlgesinnt und spielte mir die gesuchte Optimierung in Form einer alten Tomatenkiste, die am Straßenrand lag, geradezu in die Hände. Diese wog praktisch nichts, man konnte sie hervorragend befestigen und den restlichen Tomatendreck, der sich noch in ihren Ritzen breitmachte, würde ich notgedrungen einfach irgendwo abwaschen müssen.

Ventas de Zafarraya
So fuhr ich weiter meines Weges und leistete meinen ganz eigenen, kleinen Beitrag für eine bessere Welt.

Natürlich war es mir nicht möglich, Spaniens Straßen komplett von all den Dosen und Plastikflaschen zu befreien, die sich dort teilweise in ziemlich befremdlichen Mengen auftürmen. Auch konnte ich ob des Fahrtwindes nur Dinge aufsammeln, die bei 20 Stundenkilometern nicht gleich wieder das Weite suchen. Aber, und darauf kommt es an, ein Anfang war gemacht! Und wenn sich jeder auf seiner täglichen Strecke von A nach B, ob mit Auto, Fahrrad oder zu Fuß auch nur 5 Minuten Zeit nehmen würde und eine kleine Tüte Müll aufsammelt, sähe unsere Welt bald um Längen schöner aus. 5 Minuten sind wirklich nicht viel Zeit.

Zudem kann man in Spanien den Müll völlig umsonst in den großen Containern der Ortschaften entsorgen. Wer am Ende seine gesammelten Schätze, ob der Mülltrennwut, die in Spanien neuerdings herrscht, nicht wieder fein säuberlich auseinander klamüsern will, dem sei das einfach mal verziehen. Das wichtigste ist in erster Linie, den ganzen Müll an einen Ort zu bringen, von dem man getrost behaupten kann, er ist sicherlich besser dafür geeignet, als die Felder, die Strände, die „Jagdgebiete“, die Straßenränder und teilweise auch die Nationalparks.

kurz hinter Ventas de Zafarraya
Blick Richtung Tal
Das schönste an der ganzen Sache ist: Sie sorgt für ein gutes Karma. Ohne Scheiß! – So musste ich an vielen der Abende, nachdem ich tagsüber etwas Müll aufgesammelt hatte, nur selten selbst für mein Abendessen Sorge tragen. Ein Becher Oliven und eine Tüte Chips waren als Gratiszugabe zum nicht verkaufbaren Wein auch mal drin. Oder es wurde mir einfach nur ganz ganz viel wunderbare Gastfreundschaft entgegen gebracht. – Okay, vielleicht ist das alles Einbildung. Aber falls es das ist, ist es eine schöne Einbildung.

Periana
Embalse de la Viñuela
An diesem Abend musste ich jedoch vorerst noch selbst für mein Essen sorgen. In einem recht sterilen Campingplatz am Ufer eines weiteren Stausees, durchsetzt von strikten Öffnungszeiten und deutscher Genauigkeit an der Rezeption. Und das obwohl der Mann am Tresen vehement die Meinung vertrat, er wäre kein Deutscher, sondern ganz klar in Spanien geboren. – Nun ja, es war sein erster Tag im neuen Job. Man verzeihe ihm seine deutsche Akribie.

Zumindest gab es eine gemütliche Sitzecke inklusive der dringend benötigten Beleuchtung (ja auch hier wird es immer früher dunkel) und in meiner neu gefundenen Tomatenkiste konnte ich vorzüglich meinen ganzen Krimskrams (inkl. der entsprechenden Nudelsoße) hin- und herschleppen. Auch das ist Karma.

Clean Up the World!

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