Schönwetter mit Aussicht auf Dildos

29. Juli 2016

Tag 33 – Vom Camping „La Gaivota“ bis nach El Meson (irgendwo zwischen Santiago und dem Kantabrischen Meer)

Das mit dem Wecker morgens ist halt echt so ’ne Sache. Als ob ich Spaß daran hätte Memory-Spiele zu lösen, nur um nochmal 5 Minuten zu weiter zu schlafen. Ich mach es trotzdem. Manchmal schalte ich das Handy aber auch einfach aus. Nur dann war’s das natürlich mit dem frühen aufstehen. Wie dem auch sei, ich kam wieder nicht vor halb 1 Uhr los. Die letzten Berichte wollten noch gepostet, das eine oder andere Backup heruntergeladen und mindestens 2 Café con leche getrunken werden, ehe ich mich von Lukas (einem herumreisenden Schweizer, den ich gestern Abend noch schnell kennengelernt hatte) und dem netten aber etwas überteuerten Campingplatz „La Gaivota“ verabschiedet hatte. Proviant will natürlich auch gekauft sein (auch wenn die Hälfte davon noch nicht reif war) und es machte sich abermals der preisliche Unterschied zwischen den kleinen und den großen Supermärkten bemerkbar.

Das Wetter war wieder mal denkbar miserabel mit Aussicht auf etwas Regen in den Bergen, aber man hat ja nicht die Wahl, vor allem dann nicht wenn man sich in den Kopf gesetzt hat, die ganze Strecke zurück bis zum Rototom mit dem Fahrrad zurückzulegen und den Puffertag bereits in Frankreich aufgebraucht hat.

Das Problem mit dem schlechten Wetter, selbst wenn es nicht regnet, ist folgendes: Wenn es bergauf geht schwitzt man nämlich trotzdem wie der letzte Idiot. Meistens sogar noch mehr, weil die Luft dementsprechend feucht ist. Kommt man nun oben auf dem Berg an und freut sich auf die Abfahrt, darf man über sein durchgeschwitztes T-Shirt erst mal seinen Fließpulli anziehen. – Ein nicht gerade aufreizendes Gefühl. Wenn man dies jedoch „verschwitzt“ (lol), friert man sich während der nächsten Abfahrt ganz ordentlich den Arsch ab. Unten angekommen, kann man sich daraufhin der ganzen Klamotten wieder entledigen und so weiter… – Das bringt einem immer ganz schön aus dem Rhythmus raus. Ich bevorzuge also sonniges, wenn nicht sogar heißes Wetter. Da schwitz man zwar bei den Anstiegen noch mehr (selbst ohne T-Shirt), kann sich aber schon mal auf den erfrischenden Fahrtwind während der darauf folgenden Abfahrt freuen. – Und das ganz ohne Klamottenwechsel zwischendurch.

Vending Machine
Ich habe für euch zwar versucht, das schlechte Wetter aufzunehmen, man hat auf dem Foto aber leider nichts gesehen. Deswegen hab ich stattdessen dokumentiert (man verzeihe mir die spiegelnde Glasfläche), was Modonedo so alles für seine Pilger bereit hält, wenn sie die Stadt erreichen. Überhaupt scheint es in Spanien einen allgemeinen Trend zu „Vending Machines“ jeglicher Art zu geben, so konnte ich bereits anno 2014 den vorzüglichen, aufgewärmten Döner einer Vending Machine in Valencia vergustieren. Hier steht neben dem minimalistischen Inventar eines Tabakladens (ohne Tabak) jedoch noch ganz anderes für den ausgepowerten Pilger bereit. Als hätte man Beathe Uhse in einen Kasten von 1x1x2 Meter größe gezwängt, kann der Peregrino von heute hier je nach Bedarf zwischen Condomen, Gleitgel oder 3 verschiedenen Dildo-Größen wählen. – Ich erspare mir hier jetzt jeglichen weiteren Kommentar, weise aber dennoch kurz auf das überdimensionierte Jakobsmuschel-Schild hin, das über den Automaten prangte. Im Automaten nebenan konnte man übrigens Eiswürfel kaufen. – Auch recht praktisch. Trotzdem würde ich einen Eiswürfel-Automaten vielleicht eher am Strand aufstellen als auf dem Jakobsweg. Denn Eiswürfel ergeben nicht wirklich viel Sinn, wenn der dritte Automat im Bunde alle Getränke im Schnittb unter 5° Celsius ausspuckt. – Höchstens der erste Automat brachte einen vielleicht auf etwas abwegige Ideen und man möchte die Eiswürfel nun für ganz andere Dinge benutzen. Eigentlich hätte es noch einen vierten Automaten neben dran gebraucht, der einem Zimmer auf Stundenbasis vermietet.

schönes Wetter voraus
Es ging immer weiter den Berg hinauf, ich schätze auf so circa 600 Meter. Und irgendwann passierte es: Die Wolkenfront hatte ein Ende. Und was für eins! – Man stelle sich einen Strich auf einer Landkarte vor: Auf der einen Seite ist schlechtes Wetter, auf der anderen gutes. Normalerweise fährt man ja vom guten Wetter in das schlechte Wetter hinein. Diesmal war es jedoch anders. Zwei Minuten nachdem ich das Foto aufgenommen hatte, war ich umringt von purem Sonnenschein und mein Herz jubelte. – Fortan keine ständigen Garderobenwechsel mehr auf der Tour.

lange Straße
In Galizien hat man scheinbar wirklich eine Menge Platz. Wenn nicht gerade für golfplatzgroße Vorgärten oder langgezogene Nationalstraßen, dann sicherlich für die überdimensioniertesten Kreisverkehre, die ich je gesehn hab: Ganz ehrlich, auf diesem Raum hätte man mindesten 4 Spuren unterbringen können inklusive eines Drive-In’s (für die, die aus der Mitte nicht mehr herauskommen). Aber wozu?

überdimensionierter Kreisverkehr
Eingekehrt bin ich heute auf dem absolut einzigen Campingplatz zwischen der Küste Galiziens und Santiago de Compostela, der Camping „El Meson“. Er liegt einfach irgendwo zwischen diesen beiden Punkten relativ genau in der Mitte und bildet mit ca. 90 km Entfernung zu beiden Seiten, eine für Fahrradfahrer recht praktische Base. Günstig ist er ebenfalls und das Restaurant etwas weiter die Straße hinunter, bietet zwar kein Essen à la Carte, hat aber ein durchaus leckeres und sättigendes Menu auf dem Programm, das einem vom Küchenchef höchst persönlich vorgelesen wird. Ich war bei dem galizischen Dialekt, den man hier an den Tag legt, recht froh, dass ich überhaupt ein paar Fetzen verstanden hab, folglich hätte mich eine noch ausufernde Speiseauswahl eh überfordert. Bin jedenfalls papp satt. Und der Hauswein schlägt alle Rekorde: 2 Euro kostet die Flasche. Im Fernsehen läuft abwechselnd digitales Wirrwar, sowie eine Retrospektive über Adolfo Suárez, der in irgendeinem Zusammenhang mit nationalsozialistischen Bewegungen (oder eben auch nicht) in Spanien während der 70er/80er Jahre stehen muss. Ob Pro oder Contra konnte ich ob meiner politisch ungenügsamen Spanischkenntnisse sowie des ständigen digitalen Wirrwars nicht so recht entziffern. Die Doku wurde jedefalls ab und zu von freiheitsliebender Musik begleitet und damit lässt sich ja auch schon was anfangen. (Nachtrag: Wie ich grade gegoogelt hab, war er der erste demokratisch gewählte Ministerpräsident Spaniens nach dem Tod des Diktators Francisco Franco.)

Wie ich zudem feststellen muss, stellen sich hier bei allen (wenigen) Gästen im Restaurant die selben Fragezeichen über den Köpfen ein, wie auch bei mir, wenn der Küchenchef die Karte vorliest. Manche gehen daraufhin gleich wieder, andere sind den ganzen Tag Fahrrad gefahren und würden eigentlich am liebsten alles essen.

1 comment

  1. Comment by Rosi

    Rosi Reply 1. August 2016 at 23:36

    Hallo Tobias, bin begeistert von Deiner Tour und wünsche Dir
    weiterhin viel Glück, gutes Radwetter und interessante Begegnungen,
    R. aus Weil der Stadt bzw. Thüringen.

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