Buen Camino!

3. August 2016

Tag 38 – Von Portos zur Puerto del Poio

Heute offenbarten sich endlich die wahren Pilgerströme. Da ich mit dem Fahrrad meistens nur Teilabschnitte des Caminos befahre, tauchten sie meist, ähnlich wie Ameisen, an einer Feldwegkreuzung auf und verschwanden an der nächsten wieder. Passenderweise hatte die Herberge, in der ich die letzte Nacht verbrachte, irgendwas mit Ameisen zu tun. Ob sie damit auf meine Beobachtung anspielen will, bleibt ungeklärt.

Pilgerströme auf dem Camino Francés
Anfangs hatte ich wie immer noch meinen Spaß dabei, einer jeden Gruppe von Pilgern, der ich begegnete einen „Buen Camino“ zu wünschen. Später erschlaffte meine Zunge etwas. – Es waren einfach zu viele. Und da das erste Stück an diesem Tag recht zapfig bergauf ging, fehlte mir auch ein wenig die Puste, um alle paar Meter genau diese 3 Silben über meine Lippen zu bringen. Lustig war es allemal. Es wimmelte wirklich nur so von Pilgern. Ich hab zwar versucht das ganze Gewusel auf einem Foto festzuhalten, aber wie es bei Fotos nun mal so ist, zeigt es nur einen Ausschnitt dessen, was wirklich abging.

Irgendwann hatte ich den Berg geschafft und war heilfroh darüber, dass es nun etwas schneller gen Tal ging. – So musste ich dem Gegenverkehr nur noch zuwinken oder mit einem Nicken kurz grüßen. – Jegliche Wortfetzen hätten sich eh irgendwo hoffnungslos am Wegesrand verloren.

Berge
Nach einer recht ansehnlichen Abfahrt, kam ich auch recht zügig in meinem eigentlichen Ziel vom Vortag, Portomarín, an und lies mich in einer kleinen Bar auf ein weiteres, etwas ausgedehnteres Frühstück nieder. Es war wie ein kleines deutsches Rendez-Vous. Ich zählte glaub so mindestens 8 von meinem Volke, die sich ebenfalls um mich herum gesellten. Auch die Wlan-SSID des Restaurants hatte irgendwas mit „German“ in ihrem Buchstabenwirrwarr zu schaffen. Ich tat das aber mal als lustigen Zufall ab. Mit Verena und Katja hatte ich dann noch ein längeres, lustiges Gespräch und wir waren uns recht einig darüber, dass wir dieses gerne bei guten 12 Tassen Milchkaffee (Hape Kerkeling lässt grüßen) und gen später gerne auch noch ein paar Flaschen Rotwein fortführen wollten. Leider bleiben die nettesten Bekanntschaften unterwegs doch meistens auf der Strecke – und das nicht nur weil ich mit dem Fahrrad ein anderes Tempo vorlege, sonder in diesem Fall auch in die andere Richtung reise und an diesem Tag bisher allemal 20 Kilometer auf meinem Tacho verzeichnen konnte. So fuhr ich schlussendlich schweren Herzens weiter. Denn das Ziel, das ich mir gesteckt hatte – rechtzeitig auf dem Rototom anzukommen – wollte ich beim besten Willen nicht vernachlässigen. Auch wenn die Aussicht auf einen netten Abend noch so verlockend war.

Hallo und Tschüss
Während ich mich also an die restliche Strecke dieses Tages machte, war ich in Gedanken immer wieder versucht, einfach doch mal halblang zu machen, es gemütlich angehen zu lassen und bei Rotwein und Paella ein paar Geschichten auszutauschen. Vor allem deshalb, da es von nun an bis zum Ende des Tages nur noch bergauf gehen würde.

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Wer irgendwann auf dem Camino übrigens keine Lust mehr vesrpürt, sich die restliche Strecke auch noch anzutun, kann sich beim Autovermietungsbüro „Pilgrim“ einen Wagen, wahlweise mit oder ohne Chauffeur mieten.

schöne Berge
Zu guter Letzt „quälte“ ich mich gnadenlose 30 km lang auf etwa 1300 Höhenmeter hinauf. Ich wollte alles, aber eigentlich nur noch ankommen. Zwei oder drei Pausen musste ich konditionsbedingt auf der Strecke einlegen und verschlang während diesen, eine komplette Packung Kekse, einen Liter Milch und einen mutierten Riesenpfirsich. Irgendwann flachte die Straße etwas ab und Xavier Rudd verwöhnte mich auf meinem Hochgefühl mit einigen seiner schönsten Songs, als meine Kette nun schon zum zweiten Mal während eines Anstiegs abrutschte, ich rapide an Geschwindigkeit verlor und anstelle meine Fußschlaufen zu lösen, wie ein verrücktes Huhn versuchte weiter zu strampeln. – Was allerdings absolut nichts brachte, denn ohne Kette, kein Antrieb. Kurz bevor ich völlig zum Stillstand kam, schaffte ich es doch noch irgendwie meinen linken Fuß aus der Schlaufe, die ich für den Anstieg recht stark angezogen hatte, zu lösen. War aber für’n Arsch. – In genau dem Moment Kippte mein Fahrrad natürlich auf die rechte Seite. (Den rechten Fuß aus der Schlaufe zu befreien, bemühe ich mich seit den französischen Alpen nicht mehr. Meine Chucks sind einfach so am Arsch, dass sie wie ein Widerhaken in der Schlaufe stecken bleiben. Ist die Schlaufe einmal fest zugezogen, kommt man ohne eigenes Handanlegen da nicht weiter.) Also Bumms. Aua! – Dieses Manöver hab ich inzwischen Zwar schon recht verinnerlicht, passieren kann auch nicht wirklich viel, da man ja eigentlich im Stand umkippt, trotzdem ist es immer wieder interessant, auf was man 120 Kilo fallendes Gewicht mit den Händen abstützt. – In diesem Fall war es ein spitzer Stein. Aber kein Grund zur Sorge, die Wunde an meiner Hand verheilt recht gut.

Nachdem ich diese nun schnell verarztet hatte (ja, jetzt hatte auch endlich mal mein Erste-Hilfe-Kit seinen ersten Einsatz) spulte ich nochmal zurück auf Xavier Rudd und begann die Berglandschaft von vorne zu genießen. – Dieses Mal mit nicht ganz so fest angezogenen Schlaufen.

Alto do Poio
Irgendwann kam ich am Alto do Poio mit seinen unglaublichen 1335 Höhenmetern vorbei (dagegen ist der Obere Hauenstein in der Schweiz ein grade mal halb so hoher Klacks). Bei dessen Überquerung begrüßten mich zwei Herbergen. Als hätte ich irgendwann mal etwas daraus gelernt, entschied ich mich für die linke. Keine Ahnung, ob das die richtige Wahl war, schlecht war sie jedoch auch nicht. Mein Zelt durfte ich abermals für Umme neben Louis aufstellen, ein Hund im hinteren Teil des Gehöfts, den ich einfach mal auf diesen Namen taufte, da er auf alle anderen, mit denen ich ihn ansprach ebenso wenig reagierte. Es roch ein bisschen nach diesem und jenem Mist, worüber ich eigentlich recht froh war, verschwitze ich doch ob der recht zeitigen Abendessenszeit die nicht gerade unnötige Dusche (was aber immerhin 3 Euro einsparte). Und während über mir die Stromleitungen rasselten und ich mir einbildete es wäre Regen aufgezogen, machte sich bis zum nächsten Morgen wirklich die Feuchtigkeit breit (perfekt um meine frisch gewaschene Radlerunterwäsche zu trocknen) und kurz nachdem ich alle meine Sachen nasskalt zusammengepackt hatte, fing es dann sogar noch richtig an zu schütten.

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