Der Platzhirsch

9. Oktober 2016

Von Granada zur Embalse de los Bermejales

Es ist doch immer wieder das gleiche: Kaum fährt man aus den Großstädten heraus, durchstreift man für die nächsten 20 km eine nicht näher definierbare Einöde. Sie besteht meist aus der Langeweile der Vorstädte, durchsetzt mit einer ordentlichen Prise Infrastruktur (Kläranlage, etc.) und dem Versuch, der Landwirtschaft auch in Stadtnähe noch etwas abzugewinnen. Halb zerfallene Fahrradwege entlang der Zufahrtsstraßen zeugen von dem Versuch, den Berufspendlern eine nette Alternative zu Auto oder Bus zu bieten und dem Smog, der sich allzu oft über Granada breitmacht (und ab und an auch mal die Sicht von der Sierra Nevada vernebelt) etwas Einhalt zu gebieten.

irgendwas Halbfertiges
Wer hier mit voller Blase und der Hoffnung losfährt, kurz nach der Stadtgrenze auf einen hübschen Baum zu treffen, der wird bitter enttäuscht. Entweder sind die Bäume zu klein, die Straßen zu lang oder die Fahrradwege irgendwie doch zu stark frequentiert. Man fährt vorüber an den gescheiterten Versuchen von Erlebnisgaststätten oder dem kläglichen Baubeginn eines Freizeitparks. So genau lässt sich das meistens gar nicht sagen. Eine halb zerfallene Scheune, die zum Verkauf steht, lädt zu gemütlichen Abenden in rustikaler Atmosphäre ein und in der Ferne hält es die Sierra Nevada nun immer deutlicher mit ihrer Ähnlichkeit zu tierischen Exkrementen. – Als hätte eine riesige Weltraumkuh auf die Erde geschissen. Also echt!

Sierra Nevada

Kuhscheiße am Horizont

Alles in allem ein perfekter Tag um über das Leben, verflossene Lieben und die Unmöglichkeit, in Spanien ein kostengünstiges, alkoholfreies Bier zu bekommen, nachzudenken. Mal schauen was der Abend so bringt.

Nach der letzten Hügelkuppe und ein paar leeren Plastikflaschen, die ich vom Wegesrand aufsammelte, erwartete mich eine schöne Abfahrt hinab zu dem Campingplatz „El Bermejales“. Dieser liegt idyllisch an einem kleinen, türkisblauen Stausee, der so genannten Embalse de los Bermejales (wer hätte es gedacht). Als ich ihn erreichte, war die Sonne gerade dabei, sich auf die andere Seite dieser Welt zu verabschieden.

andalusische Landschaft bei der Embalse de los Bermejales
Embalse de los Bermejales
Embalse de los Bermejales
Der Campingplatz selbst war zwar recht groß, die Stimmung aber recht freundlich und persönlich. Das alkoholfreie Bier war mal wieder dreimal so teuer wie die übliche Plörre. Was bleibt einem da also schon für eine Wahl, wenn man sparen muss? So setzte ich mich gemütlich auf die Terrasse des Restaurants, bestellte mir ein reich belegtes Bocadillo und lauschte den Klängen einer britischen Comedy-Serie, die von der Parzelle oberhalb der Terrasse zu mir herab dröhnte. All das, während ich versuchte, mich meinen Reiseberichten zu widmen.

Der Versuch währte nicht lange, da schallte auch schon ein lautstarkes „Hola!“ zu mir herab. Gefolgt von der Frage, ob ich Spanisch spreche, die ich nickend verneinte. – Wer sich britische Comedy reinzieht, dem muss ich sicher nicht den Gefallen tun und in meinen Spanischkenntnissen herumwühlen.

Nach ein paar kurzen Wortfetzen, die man zur Begrüßung über die Brüstung der Terasse austauschte, wechselte die Musik alsbald zu jener echobelasteten Dubmusik, die man eben nur aus Großbritannien kennt, gefolgt von der Einladung auf ein Bier.

Was soll ich sagen, kaum nimmt man sich mal vor, etwas zeitiger ins Bett zu gehen und die Nachtruhe ohne irgendwelche Eskapaden im Vorfeld zu begrüßen, passiert immer genau das gleiche, mal begleitet von mehr, mal begleitet von weniger guter Musik. – Vielleicht hätte ich sogar abgelehnt, aber meinem Herz dürstete es nach etwas gutem Off-Beat und wie ich später erfahren durfte, mangelte es der Musiksammlung, die wir an diesem Abend noch durchstöberten, in keinster Weise an diesem kostbaren Gut. Begleitet wurde die musikalische Untermalung des Abends durch eine ordentliche Portion schwarz-britischem Humor. Zumindest hoffe ich das im nachhinein.

Und mehr gibt es dazu auch gar nicht zu sagen. Höchstens vielleicht, dass ich etwaige Gewissensbisse über den vergangenen Abend am nächsten Tag in dem fehlenden alkoholfreien Bier vom Vorabend ertrank und genau dort zurück lies, wo ich sie vorgefunden hatte: in einer dreckigen Toilette, die (so Gott will) erst mittags geputzt wird, denn dann lohnt sich die Sache wenigstens.

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