Windgeschwindigkeit

6. August 2016

Tag 41 – Von Sahagún nach Burgos

Es gibt einen guten Grund warum man hier so viele Windräder aufgestellt hat. – Ich kann ihn nicht ausstehen, absolut nicht. Sein Name ist Wind und sein Vorname Gegen. Gegenwind ist mindestens so bescheuert wie sein Name. Vor allem, wenn man ihn 3 Tage lang mit etwa 50 Stundenkilometern im Gesicht hat.

Die Pilger, die in Richtung Santiago unterwegs waren, hatten da eine völlig andere Meinung drüber. Den Wanderern verschaffte der Wind ein frisches Lüftchen um die Nase und die Radfahrer hatten ein leichtes Spiel (mehr muss ich dazu wohl nicht sagen). Bei ihnen hatte er sich allerdings auch als Rückenwind vorgestellt. – Jaja, die beiden Brüder Gegen und Rücken… Ich könnte jetzt einen französischen Witz über die zwei Schwestern Melon und Melèche erzählen, aber das lass ich mal lieber.

Camino Francés, Palencia
Ich kaufe ein V für ein P! Dann hätte sich die Sache mit dem Gegenwind und der noch sehr weiten Strecke bis zum Rototom im Handumdrehen erledigt. Leider sind wir hier nicht beim Glücksrad.

Zwar hatte ich mich wirklich wahnsinnig auf die Hochebene zwischen Astorga und Logrono gefreut, verhieß sie doch etwas trockeneres Wetter und vor allem keine steilen Berge. Mit dem Wind hatte ich aber nicht gerechnet. Und der kann einem jegliche Freude am Fahrradfahren verderben. Und zwar rigoros. Und nicht nur das, er kann einem auch so richtig den Tag versauen. Den danach inklusive. Von dem davor ganz zu schweigen. Zudem staut sich in einem eine widerwärtige Wut an. Ich kann es gar nicht richtig beschreiben. Aber wenn einem während 3 vollen Tagen unaufhörlich der Wind in die Fresse bläst und alle Anstrengungen einigermaßen voran zu kommen, quasi zunichte macht, möchte man nur noch schreien. – Hab ich auch. Bestimmt zwei oder drei mal. Ändert aber nichts dran. Der Wind weht weiter. Er interessiert sich einen Dreck für deine Wutausbrüche. Es blieb einfach nur zu hoffen, dass sich irgendwann einmal (vielleicht morgen) etwas daran ändert. Heute, so sagte ich mir, sei das ausgeschlossen. Zudem waren die Übernachtungsmöglichkeiten in der Region, wo ich mich befand, nicht gerade breit gesät. So musste ich zwangsläufig weiter fahren Richtung Burgos, auch wenn das bedeuten würde, erst gegen 10 Uhr dort anzukommen. Gedankt sei es dem Wind. Herzallerliebst.

Ich weiß wirklich nicht ob ich mir die Sache mit dem Rototom gerade etwas zu sehr zu Herzen nehme. Es fahren ja sicherlich einige Züge oder Busse ans Mittelmeer. Aber ich möchte es einfach mit dem Fahrrad bis dorthin schaffen. Komplett. Ohne Kompromisse. Keine Ahnung warum. Ich möchte es einfach. – Und so kämpfte ich weiter und weiter gegen den Wind an, fand mal mehr und meistens weniger Gefallen daran und war über jeden Berg froh, der mich mit einer kleinen Abfahrt belohnte. – Denn zumindest so konnte ich dem Wind eine Schnippe schlagen.

kurz vor Burgos
In Burgos kam ich sodann wirklich erst um 10 Uhr an. Ich glaube Burgos ist im allgemeinen eine recht schicke Stadt, die sich wirklich anzuschauen lohnt. Nur hat mich das zu diesem Zeitpunkt relativ wenig interessiert. Die Campingplatzrezeption war zwar noch besetzt, doch wurde man dort regelrecht abgefertigt. Egal. Mich erinnerte die Dame hinter dem Tresen ein bisschen an meine Französischlehrerin aus der 11. Klasse. Kurzsilbig, emotionslos, versteinert… oder so ähnlich. Egal. Einen Stempel in meinen Pilgerpass gab es ebenfalls nicht, hatte der gute Campingplatz, so die Französischlehrerin (die mich auch noch auf Französisch ansprach), wohl nicht die Erlaubnis dazu. – Als hätte das jemals irgendjemand auf dem Weg interessiert. Hier ein Stempel, da ein Stempel. Wenn nötig gab mir sogar ein Hund einen Stempel (kein Problem für ihn, er war schließlich der Co-Autor eines Buchs). – In Burgos schienen die Leute stattdessen einen Stecken im Hintern zu haben. Schon lustig. Eine Stadt, die neben einer mächtigen Kathedrale noch ein enorm berühmtes evolutionsbiologisches Museum ihr Eigen nennt und dann rummosert, wenn man als Pilger auf dem Campingplatz eingekehrt. – Als gäbe es irgendwo eine Passage in der Bibel, die einem Pilger vorschreibt, in verwanzten Schnarch-Bettgemeinschaften zu hausen. Sicher nicht.

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