Canicule, oder mein Ritt auf der europäischen Hitzewelle

Tag 6 – Von Lausanne nach Seyssel

Schwer bepackt mit frischem Gemüse ging es zurück auf die Straße. Max meinte, das würde bei ihm nur verderben, deswegen solle ich es mitnehmen. Auch gut, gibt es die nächsten Tage statt energiereicher Nahrung halt ein paar Ballaststoffe auf dem Weg. Warum auch nicht.

Die Strecke führte mich mal wieder am Genfer See entlang. Wie sollte es auch anders sein. Kaum möglich hier etwas Variation reinzubringen. Allemal einen Abstecher ins französische Jura hätte ich mir noch erlauben können. Aufgrund meines ausgedehnten Lausanne-Aufenthaltes spülte ich diesen Plan aber in etwa genauso schnell die Toilette hinunter, wie mein Frühstück ein paar Tage zuvor.

Canicule? Hmm… das „kann-nich-kühl“ sein, soviel stand fest.

Die Hitzewelle in Europa nahm langsam aber sicher ernst zu nehmende Züge an. (Ich weiß: zweimal „nehmen“ in einem Satz, das klingt nicht besonders gut. Man verzeihe es mir. Es war heiß.) In Frankreich sagt man statt „Hitzewelle“ übrigens „Canicule“. Warum weiß ich auch nicht. Aber ich werde mich in den folgenden Tagen immer mehr dieses Wortes bedienen. Deshalb nur zur Info.

Es war also heiß. Sau heiß! – Canicule? Hmm… das „kann-nich-kühl“ sein, soviel stand fest. Zwar bin ich hohe Temperaturen während meiner Radreisen durchaus gewohnt. Aber alles ab 35° aufwärts bringt dann auch mich gehörig ins Schwitzen. In diesem Zusammenhang sei die Teufelskombination 40/20 erwähnt. 20% Steigung bei 40° Celsius. Wer das überlebt ist fit für den Iron Man.

Wie dem auch sei. Heute ging es zwar auch bergauf, die 40°C waren aber noch lang nicht erreicht und auch die Steigung dümpelte eher um die 5% Marke vor mir her. Kein Grund zur Sorge also. Nur über den geplanten Streckenverlauf der nächsten Tage würde ich mir mal noch genauere Gedanken machen müssen. Doch dazu später mehr.

Fundstück des Tages war eine Laterne, oder vielmehr ein Baum, der einen alten Laternenmast, wie soll ich es sagen, nun ja, einfach in sich aufnahm. Er wuchs mit seinem Stamm schlicht und ergreifend um den Mast herum und verschlang ihn. So einfach ist das. Verleiht auf jeden Fall etwas Extra-Stabilität bei Wind und Wetter. Auch ist es aber beeindruckend, inwiefern die Natur doch dazu imstande ist, sich auszubreiten, wenn man sie nur lässt, und dabei wirklich einen feuchten Dreck drauf gibt, ob ihr irgend etwas menschengemachtes im Weg rumsteht oder nicht.

Nachdem ich den Großstadtverkehr von Genf hinter mir gelassen hatte und mit einem letzten Blick zurück neidisch den Menschen beim Baden in der Rhône zugesehen hatte, ging es an die Bergetappe dieses Tages. Wohl gemerkt neigte sich der Tag so langsam bereits seinem Ende zu. Und auch meinen Kraftreserven ging es ganz ähnlich. Die andauernde Hitze zehrte, wie ich noch des öfteren bemerken werde, mehr an meiner Energie, als ich erwartet hätte.

Die Grenze zu Frankreich fuhr ich dieses Mal erstmal ein kleines Stück entlang, bis mich der Weg dann schlussendlich wirklich aus der Schweiz herausführte.

Zum besseren Verständnis: Auf dem Foto ist links der Straße bereits Frankreich und rechts der Straße noch Schweiz. Die Straße selbst ist Niemandsland. Man könnte sich also ein Spaß draus machen und ständig von der einen Straßenseite auf die andere hüpfen, um damit den einen oder anderen Zollbeamten an den Rande eines Nervenzusammenbruchs zu bringen. Alternativ könnte man sich auch ohne Papiere in die Mitte der Straße setzen, auf Staatenlosigkeit plädieren und damit einen mehr oder minder geschichtsträchtigen Stau bis in die Genfer Diplomaten-Bezirke provozieren. Aber solchen Schabernack lassen wir hier natürlich, treten lieber schnell auf die französische Seite über und genießen dort zwar ein immer noch recht teures Bier, jedoch mit deutlich billigeren Pommes. – Wein mit Käse wäre hier sicherlich die bessere Wahl gewesen.

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