5000 Watt im Gesicht

Tag 8 – Vom Lac d'Aiguebelette nach Cognin-les-Gorges

Der Tag wollte heute irgendwie nicht so recht in die Gänge kommen. Wobei, eigentlich kann ich mich, zumindest was den Morgen anbelangt, nicht beschweren. Ein erfrischendes Bad im See, danach etwas arbeiten bei doch allzu sehr verlängertem Kaffee, zwei Schoko-Croissants… Was will man mehr? – Ein bisschen Energie wär vielleicht nicht schlecht; eine etwas frühere Abfahrt auch (nicht erst wieder gegen 13 Uhr, der Arbeit sei es gedankt) und vor allem keine Berge bei dieser Hitze; und wenn schon Berge, dann zumindest nicht bereits am Anfang der Etappe.

Nun ja. Ich glaube, wie man einen Radfahrtag im Allgemeinen so rezipiert, hängt mitunter ganz schön von dessen Beginn ab. Wenn man den Tag damit beginnt, sich innerhalb von einer geschlagenen Stunde klägliche 5 km den Berg hinauf zu schieben, kann ja eigentlich alles nur besser werden. So zumindest die Idee. Wird es aber nicht.

Die Hitze blies einem selbst während der Abfahrten mit der Power eines 5000 Watt Föns ins Gesicht.

Selbst bei den Abfahrten kam Alfred nicht so recht ins Rollen. – Doch warum? Lag es vielleicht am Getriebe, das wirklich mal eine ordentliche Ölung nötig hatte? Der Hitze, die einem selbst während der Abfahrten mit der Power eines 5000 Watt Föns ins Gesicht blies? Oder an dem schroffen Untergrund der Straßen, auf den man eigentlich nie wirklich Lust hat?

Sieht nur aus wie eine Abfahrt, ist aber keine.

Als ich jedenfalls den schönsten bzw. gemütlichsten Teil der Tagesstrecke hinter mir hatte, war ich bereits völlig platt. Der Schweiß lief dermaßen in Strömen an mir herunter, dass man ihn eigentlich gleich wieder hätte auffangen können, um damit die leeren Wasserflaschen zu füllen. Salzig war der eh schon lange nicht mehr. Doch damit leider auch arm an Elektrolyten. Insgesamt gute Bedingungen also, um die noch ausstehenden 50 km bis zum Ziel irgendwie hinter mich zu bringen.

Den ursprünglichen Plan auf der heutigen Etappe den Aufstieg ins Vercors Gebirge zu wagen, verwarf ich bereits am Vortag recht zügig. „Eine 2-Etappen Alternative müsse für dieses Vorhaben her.“, so dachte ich zumindest. „Dann würde es schon irgendwie gehen…“

Sieht kühler aus als es war: Ein Gewitter über dem Vercors Gebirge

Den zweiten Plan, also am nächsten Tag den Aufstieg ins Vercors Gebirge zu wagen und über die Bourne Schlucht zu fahren, verwarf ich nun spätestens während diesen elendig heißen Abfahrten. „Wenn ich während einer Abfahrt schon nicht so richtig zur Abkühlung komme“, so der Gedanke, „würde ein etwa 1000 m hoher Anstieg bei diesen Temperaturen sicherlich nicht sonderlich viel mehr Spaß machen“. – Es half alles nichts. Ich gab mich geschlagen. Für die nächsten Tage würde ich mich also abermals in die Versenkung der Flusstäler in Richtung Rhône bequemen müssen und den Vercors notgedrungen auf ein andermal verschieben. Soviel also zur Streckenvarianz…

Entlang der Isère fand ich auf vorzüglich ausgebauten Radwegen dann endlich wieder in meinen Rhythmus und war ehe ich mich versah auch schon 20 km voran gekommen und damit fast am Ziel.

Der Ent aus dem Nussbaumwald

Als ich an den unendlich langen Nussbaumfeldern am Traufe des Vercors vorbei kam, schwelgte ich bereits eine ganze Weile in Erinnerungen an meine erste Fahrradtour anno 2013. So blieb zumindest in Bezug auf die Streckenwahl ein gewisser Nostalgie-Effekt nicht aus, was ja auch irgendwie schön ist. – Wie dem auch sein, immerhin mein heutiger Campspot würde mit dem damaligen herrlich wenig gemein haben. Damals übernachtete ich auf einem von Holländern überschwemmten Familien-Campingplatz irgendwo in einem dunklen Wald. Heute plante ich in der Hoffnung einen klaren Kontrapunkt zu setzen, einen „Camping à la ferme“ Abend ein. Wie ich später herausfinden sollte, waren zwar auch hier holländische Fahrradtouristen zugange, aber unter Gleichgesinnten fühlt man sich um einiges wohler, soviel ist sicher.

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Die Campingplatzbesitzerin erinnerte mich nicht von ungefähr an meine Französischlehrerin aus der 7. Klasse, war sie ihrerseits doch Deutschlehrerin und sprach dieses dazu noch absolut einwandfrei. Nach ein paar netten Geschichten unter den wenigen Campingplatzgästen widmete ich mich dann gemütlich meinem Gaskocher und bereitete mir eine leckere Spaghetti Bolo zu. Diese Kochkunst vollführte ich bis in die späten Abendstunden, während ich, mit Michi am Ohr, die letzten Tage Revue passieren ließ…

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