Wo gehts hier zum Pferdemarkt?

18. Oktober 2016

Ein Tag in Jerez de la Frontera

Was macht man an einem Tag in Jerez, wenn man nur einen Tag in Jerez hat, schon zweimal in Jerez war und der Meinung ist an Tapas-Spezialitäten gäbe es zumindest nicht ganz so viel zu entdecken, um sich einen geschlagenen Tag damit beschäftigen zu können? Man geht auf Sightseeing-Tour. Ja genau.

Im Ernst? – Ja, im Ernst.

Ich, der sonst so überhaupt nichts für diese scheinbare Lieblingsbeschäftigung aller Touristen übrig hat, gibt sich einen Ruck und schaut sich heute mal ein bisschen die Stadt an. Natürlich ohne dafür nur einen müden Pfennig auszugeben. Den steckte ich lieber dem Mann am Straßenrand zu. Solange man sich mit den Außenansichten berühmter Gebäude zufrieden gibt, kann man sich die Kohle getrost fürs Abendessen sparen. Dort ist der Sherry im übrigen auch gerade mal einen Euro billig oder mit dem passenden Flyer aus dem Hostal sogar völlig für Umme zu haben.

Pferdemarkt in Jerez
Okay, ich schaute mir also die Stadt an. Gibt es darüber irgendetwas aufregendes zu berichten? Nein. Der Pferdemarkt war wie leergefegt. (Hatte ich auch nicht anders erwartet.) Die Kathedrale war zu groß für mein Objektiv. Tio Pepe war zu teuer. (Und überhaupt, wer möchte schon mit einem Bummelzug durch Weinfelder fahren? Das kann ich jeden Tag mit dem Fahrrad haben, wenn ich möchte.) Die Burg verbarg sich hinter hohen Mauern. (Keine Seltenheit für eine Burg.) Hmmm… Eine ganz hübsche Kirche stand da noch in der Nähe meines Hostals…

Aber das, was mich eigentlich am meisten an diesem Tag interessierte, war ein Zoomobjektiv von Nikon in der Auslage des Cex-Shops. (Bitte Aussprache beachten. Die lautet zwar wirklich: Sex-Shop. Ansonsten hat der Laden aber realtiv wenig mit dem Klang seiner Lettern zu tun. – Wer sich nun fragt, warum sich jemand ausgerechnet diesen Namen für eine Second-Hand-Kette ausdenken musste… das frage ich mich auch. Es machte es mir nahezu unmöglich, über die neuesten, gebrauchten Objektive in dessen Auslage sprechen, ohne dabei den einen oder anderen komischen Blick zu ernten.) Das Objektiv entpuppte sich nach eingehender Internetrecherche dann jedoch als minderwertig. Na ja.

dubioses Filmplakat
Nur so am Rande: Dieses Plakat stand weit außer Reichweite des Gebrauchtwarenladens. Was es damit auf sich hat und ob die Plakatwahl wohl die richtige für einen Zeichentrickfilm ist, darf jeder selbst entscheiden.

Okay, das war also mein Tag in Jerez. Ich weiß nicht, so recht haut mich Jerez jetzt nicht vom Hocker. Mir ist auch zu Ohren gekommen, dass da angeblich eine uralte Fehde zwischen Jerez und Cádiz weht. Ähnlich den Streitereien zwischen Düsseldorf und Köln. (Wo es allerdings hauptsächlich um das bessere Bier geht.) Soweit so gut, aber da eben nur in Jerez Jerez (Sherry) hergestellt wird und Cádiz nicht gerade mit einer eigenen Alkoholsorte aufwarten kann (dafür mit einem Strand – in Jerez könnte man ihn sich allemal herbei saufen), muss es sich bei den Zankereien folglich um etwas anderes handeln. Um was genau, ist mir eigentlich egal. Ich habe mich entschieden. Sollte ich jemals einen Stimmzettel ausfüllen müssen, welche von beiden Städten, die schönere/bessere/coolere/etc. ist, fällt mir die Wahl sicher nicht schwer.

Vielleicht hätte ich den unfreiwilligen Plausch mit einem betrunkenen „Herrn“ namens Fran am späten Nachmittag dahingehend ausweiten sollen, um diese Angelegenheit ein für allemal zu klären. Allerdings war mir sein Geschwafel über Hitler und die Franco-Ära schon genügend zuwider. Genau genommen verstand ich von dem, was er sagte, kein einziges Wort. (Betrunkenes Andalusisch ist von allen Dialekten der schwierigste.) Ich wollte es auch nicht verstehen. Außerdem wurde ich das Gefühl nicht los, dass er es ganz gerne gehabt hätte, wenn ich ihm einen Mercedes schenken würde. Schließlich hätte das ein deutscher Freund schonmal für ihn gemacht. – Ich ignorierte diese Fiktion seinerseits, kaufte ihm ein Bier und nachdem er sich abermals beschwerte, „Dies wäre ja nur ein kleines Bier.“, verabschiedete ich mich.

Gasse in Jerez
Der Abend brachte dann noch ein paar wirklich positive Erlebnisse mit sich. Für diese lohnt es sich wirklich, Jerez mal einen Besuch abzustatten: Ein Abendessen inklusive diverser Getränke für 6 Euro; ein interaktives Flamenco-Konzert, bei dem ich selbst zur Gitarre greifen durfte; ein Wunschbrunnen, in dem ich endlich die Schweizer Rappen sinnvoll entsorgen konnte, die ich nun schon seit über 5000 km mit mir herumschleppe und ein ewig langes Telefongespräch mit Michi in Deutschland (gut, das kann man auch woanders haben), für das er mir im übrigen ohne triftigen Grund eine saftige Rechnung ankündigte. Danach verzog ich mich in mein Hotelzimmer und genoss das, für was es sich wirklich lohnt zu leben: ein großes Bett!

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