Kein Vorankommen!

20. Juli 2016

Tag 24 – Von San Sebastian nach Ondarroa

Der Tag begann mit einer kalten Dusche mit Blick auf den Ozean und einem Siegerfrühstück. Das Siegerfrühstück war zwar nicht geplant und fand mehr oder weniger nur widerwillig statt, aber was macht man mit einem eiskalten Sixpack Bier, den einem sein Host des morgens mit auf den Weg gibt. Warm werden lassen? Sicherlich nicht.

So tranken wir gegen 8 Uhr morgens noch ein Bier auf unsere nette Begegnung und daraufhin trennten sich auch unsere Wege, was schade war, denn nun folgten die richtig steilen Buckel.

Ich schaffte es ob der Wegbeschaffenheit (erst ging es immer richtig steil rauf, dann wieder richtig steil runter) maximal auf eine Durschnittsgeschwindigkeit von etwa 10 km/h an diesem Tag. Auch Alfred meckerte zunehmend hörbar über sein neues Hinterrad, was ihm anscheinend nicht wirklich zusagte. Der Freilauf hatte einen kleinen Hänger und schleppte die Kette gerne mal noch eine halbe Umdrehung mit, ehe diese ihn unter Volllast dazu brachte, das zu tun, was so ein Freilauf eigentlich tun sollte: frei laufen. Ich hätte das Rad gestern wohl doch besser etwas länger Probe-Fahren sollen, und nicht Probe-Schieben – den Berg hinauf.

Sarautz
Nach einem Milchkaffee in Sarautz, machte ich mich an den nächsten Berg, wo ich mich oben angekommen und umgeben von frischer Landluft (siehe Bild unten) erst mal eine halbe Stunde auf die faule Haut legte und von ein bisschen Sonne träumte.

Landluft
Heute befand ich mich wohl das erste mal so wirklich auf dem Jakobsweg. (Mit dem Fahrrad ist das ja nicht immer so eine leichte Sache.) Es wimmelte nur so von Pilgern und allesamt hatten sie einen heiden Speed drauf. Ich bin zwar auch nicht gerade der Langsamste, aber an den Bergen relativiert sich das meistens ein wenig. So überholte ich kurz vor Sarautz einen Haufen Pilger, denen ich während des Siegerfrühstücks bereits einen „Buen Camino“ gewünscht hatte. – Nun ja, doppelt hält besser.

Schaf
Das Wetter verschlechterte sich zunehmend, von der Hitze der letzten Tage war jegliche Spur auf den Atlantik hinaus geweht. Ich folgte den Anweisungen meines Navis und blieb noch ein bisschen auf dem Camino, was mich in ein unwegsames, verwegenes Tal führte, wo mich ein rülpsendes Schaf begrüßte. Ich konnte das nicht so recht glauben, also forderte ich es, den Foto in der Hand, dazu auf, nochmal zu wiederholen, was es da gerade getan hatte. – Kein Problem für das Schaf. Es rülpste mir noch so lange hinterher, bis es mich aus den Augen verlor und nun den nächsten Pilger des Weges erwartete.

Während ich mich mit den bereits verinnerlichten Brems- und Schiebmanövern also so langsam den Hang hinaufbewegte, zeigte sich das Wetter mal wieder von seiner besten Seite und lud zur unfreiwilligen Pause unter einem Baum ein. Das Problem unter einem Baum besteht darin, dass es noch fröhlich weiter vor sich hin tröpfelt, auch wenn der größte Teil des Regens vorbei ist. Ich bemerkte es allemal daran, dass die vorbeiziehenden Pilger nicht mehr klatschnass waren und ihre Regenschirme ebenfalls eingeklappt hatten. Also weiter des Weges.

versperrter Weg
Weiter… bis mich ein Viehgatter dieses mal etwas länger aufhielt, als mir lieb war. Das Problem bestand darin, dass ich es ob der schwierigen Wegbeschaffenheit unmöglich fertig brachte, das Viehgatter offen zu halten um Alfred im selben Moment durchzuschieben.

Problem
Zusätzlich war noch ein kleines Gewicht an einem Seilzug angebracht, dass dafür sorgte, dass sich das Gatter auch wieder schließt, sobald man es loslässt. Und das recht fatz.

Da ich gestern bereits einen heiden Spaß an den Monkey-Island-Metaphern hatte, versetzte ich mich in diesem Moment einfach mal in meinen persönlichen Point & Click Adventure Spielmodus:
Stelle ab Alfred – öffne Tor – nimm Gewicht – benutze Gewicht mit Seil (damit es hängen bleibt und sich das Tor daraufhin nicht schließt) – kein Erfolg, das Gewicht war zu schwer.

Öffne Tor – nimm Stock – benutze Stock mit Tor (sozusagen als Keil) – kein Erfolg, Stock zerbrach.

Nimm Eisenstange (die war etwas weiter weg zu finden) – öffne Tor – benutze Eisenstange mit Tor – Hurra! Das Tor blieb offen und ich konnte Alfred die letzten Meter hinauf auf die Straße schieben. – Tolle Sache so ein Point & Click Spielmodus! Verdirbt einem jedenfalls nicht den Spaß an der Sache.

Weit schaffte ich es an diesem Tag trotzdem nicht mehr. Alfreds Freilauf klemmte zunehmend und bis dato konnte ich das Problem auch noch nicht wirklich auf diesen eingrenzen. Ein kurzer Besuch im Fahrrad-Shop im nächsten Ort brachte auch nicht den gewünschten Erfolg. Der Besitzer war jedoch recht beherzt bei der Sache und sprühte einen Haufen WD40 in Alfreds Getriebe. Seiner Meinung nach lag es an dem neuen Hinterrad, dass erst mal richtig eingefahren werden wollte. Meiner Meinung nach lag es an dem ganzen Schmodder, der sich inzwischen in dem Kettengetriebe festgesetzt hatte. So beschloss ich in der übernächsten Stadt einen Campingplatz aufzusuchen, dort eine große Spülbürste und ein paar feuchte Tücher zu kaufen und Alfred mal eine Generalreinigung zu verpassen.

Camping mit MöbelnAls ich ankam regnete es. Verdammt. Großgefächerte Bäume gab es auf dem Platz auch nicht. Also gesellte ich mich neben einen kleinen Verschlag an einer Hauswand, wo ich wenigstens ein paar Sachen im Trockenen unterbringen konnte. Die Paletten, die dort gelagert waren erwiesen sich eigentlich als recht geschickt, man konnte seinen ganzen Kram, ähnlich wie in einem Regal, darin unterbringen und nichts wurde wirklich nass, bis auf das Zelt. Dies beschloss ich, ist der beste Platz auf dem ganzen Campground – abgesehen von jenem, den die Holländer neben mir bereits in Beschlag genommen hatten. Dieser war nämlich komplett überdacht – dementsprechend hatten sie sich auch ausgebreitet.

Es begann der ganz normale Campingplatzwahnsinn: Zelt aufbauen, Alfred verstauen, Duschen, Leute kennenlernen…

Eigentlich wollte ich an diesem Abend ja nur noch kurz zum Supermarkt um ein paar Putzsachen zu kaufen, Alfred danach ordentlich schrubben und zum Ende des Abends hin noch ein paar Reiseberichte im Restaurant schreiben. Das scheiterte natürlich wie so oft an dem „Leute kennenlernen“. So hatte ich schon bei meiner Ankunft eine kleine Gruppe von Franzosen erspäht, die ich allzu gerne kennenlernen würde. Nachdem ich gestern bereits Lust darauf hatte am Abend ein bisschen deutsch zu sprechen, was hervorragend geklappt hatte, würde ich heute abend gerne wieder mit dem Französischen Vorlieb nehmen. – Das Unterbewusstsein ist in diesem Fall stärker als die guten Vorsätze noch etwas sinnvolles zustande zu bringen, so dauerte es nicht lang und Sylvain stand vor meinem Zelt und beschwerte sich auf zerbröckelten Spanisch über das miese Wetter. Ich half schnell mit ein paar Fetzen Französisch nach, was uns das Gespräch sichtlich erleicherte. Man verabredete sich auf eine schnelle Tour zum Supermarkt, ich steuerte die übrigen (doch noch recht kühlen) Bier, die ich den ganzen Tag mit mir rumgeschleppt hatte zum allgemeinen Vorrat bei, man lud mich zu Spaghetti Bolognese ein, irgendwann war der knappe halbe Campingplatz vor meinem Fahrrad versammelt und überlegte schwer, wie man das Freilauf-Problem lösen konnte, Mustafa (der Holländer von nebenan) schnappte sich einen Lumpen und schrubbte Alfreds hinteren Zahnkranz lupenrein, irgendwann hatten wir das Problem eingegrenzt, konnten es aber dennoch nicht lösen, Jens von Radsport-Koch bekundete mir ebenfalls sein Beileid zum meinem Glück mit den Freiläufen, es gab noch etwas Gitarrenunterricht meinerseits für Laurice, der Sohn von Bruno, der verlor irgendwann sein Plektrum im Hausmüll und gab keine Ruhe bis ich es zu guter letzt wiederfand und zu schließlich betrank man das ganze Schlamassel noch mit einem ordentlichen Rumpunsch. – Reiseberichte adieu! Aber neue Freunde ahoi!

1 comment

  1. Comment by GrussVonHawaii

    GrussVonHawaii Reply 2. August 2016 at 20:56

    Haha, die Monkey Island Szenen, zu gut:)

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