Endspurt!

Tag 13 – Vom Lac du Salagou nach Ste Marie

Nach 2 Wochen auf dem Sattel hatte ich es heute nun zum ersten Mal geschafft meinen Allerwertesten noch vor Einbruch der Mittagshitze auf denselben zu bequemen. Und zwar sage und schreibe 4 Stunden (!) zuvor, sprich um 8 Uhr morgens. Vielleicht lag es auch an den Schweinereien der letzten Nacht oder dem dringenden Bedürfnis, der morgendlichen Polizeipatrouille aus dem Weg zu gehen. Vielleicht aber auch einfach daran, dass ich mir nichts mehr herbeisehnte, als endlich in Ste Marie anzukommen.

Nach einem morgendlichen Bad im See und anschließendem vollwertigen Frühstück, bestehend aus 2 Bananen und mindestens ebenso vielen Schokocroissants, ging es gestärkt an die erste Bergetappe dieses Tages – aus der Senke des Lac du Salagou heraus zurück bis nach Clèrment l’Hérault. Statt wie sonst, an der kleinen Quelle entlang der Hauptstraße vorbeizufahren, ehe ich sie bemerkte und dann schon zu faul zum Umdrehen war, war diese heute fester Bestandteil des ersten Boxenstopps auf meiner Route, denn die leicht verkümmerten Wasserreserven der letzten Nacht wollten für die erste Tageshälfte aufgefüllt werden.

Der vermeintliche Gegenwind des Tages verwöhnte mich auf den ersten Kilometern ebenfalls mit ein bisschen Extraschub, ehe ich südlich von Clerment l’Hérault gen Westen einschwank – solange ging er noch als recht brauchbarer Rückenwind durch. Ab hier verwandelte er sich in einen ausgesprochen beharrlichen Seitenwind, der mich bis kurz vor die Zielgerade immer wieder vom Rad zu wehen drohte, ehe er sich ab Leucate wieder von seiner besseren Seite zeigen würde. Ohne zu übertreiben, musste ich an diesem Tag für den einen oder anderen Autofahrer sicherlich den Eindruck erwecken, er hätte es hier mit einem ausgesprochen alkoholisierten Radfahrer zu tun, weshalb die meisten Autos glücklicherweise einen großen Bogen um mich machten.

Seitenwind wird oft unterschätzt, vor allem auf stark befahrenen Nationalstraßen. Er kommt immer dann zum Vorschein und schreit „Ha! Jetzt hab ich dich.“ wenn man gerade noch gemütlich an einer Schilfhecke vorbeiradelt, die dann aber abrupt aufhört und dem Wind nun den nötigen Raum lässt, um dich von einer Sekunde auf die andere mal einen guten Meter gen Fahrbahnmitte zu drücken. Ein Rückspiegel wäre mir in diesen Momenten wirklich sehr willkommen gewesen. Den Autofahrern, die mir immer wieder ausweichen mussten, sicherlich auch. Wenn ich resümieren müsste, so war dieser Streckenabschnitt sicherlich einer der gefährlichsten auf all meinen Reisen. Hätte es auf der Sierra Nevada anno 2016 allerdings Seitenwind gehabt, so hätte mir ganz bestimmt auch kein Rückspiegel geholfen.

Mein weiterer Weg führte mich entlang bereits längst erschlossener Radnetze durch das hügelige Flachland bis nach Bézier. Besonders viel gibt es darüber nicht zu berichten. Der heutige Tag stand eindeutig im Stern des Vorankommens. Dazu hatte ich auch guten Grund, denn 160 km radeln sich eben nicht so mal aus der hohlen Kniekehle heraus runter.

Nach Bézier bog ich auf ein Teilstück des Canal de Midi ein, um den man auf dem Weg Richtung Spanien wirklich nur schwer herumkommt. Nach all den kleinen Hügeln war mir das aber eine willkommene Abwechslung und auch der Wind zeigte sich mehr und mehr von seiner freundlichen Seite.

Ein klein wenig UNESCO-Kulturgut konnte ich ebenfalls noch mitnehmen und besichtigte kurz hinter Bézier die berühmten 9 Schleusen, die den Canal de Midi von annähernd Meeresniveau mal kurz um ganze 14 Meter emporheben, nur um den Schiffsfahrenden auch mal den Eindruck von einer kleinen Bergfahrt zu vermitteln. Ich, als Radfahrer, konnte das ganze nur belächeln, denn selbst wenn ich mein Rad den 14 Meter Buckel hochschieben würde, hätte ich am Ende noch genug Zeit für eine ausgedehnte Mittagspause, während die Boote mindestens 45 Minuten für eine Aufwärtsschleusung benötigen. Gut, der Vergleich hinkt ein wenig, aber man muss sich als Radfahrer ja immer ein bisschen gut zureden und jedem motorgetriebenen Verkehrsmittel, wo es nur geht, die Zunge rausstrecken.

In Port la Nouvelle legte ich vor dem Endspurt nochmal eine kurze Cola-Pause ein und erquickte mich an den Möwen, die im Hafen den einfahrenden Fischerbooten nachstellten, um etwas von dem leckeren Beifang abzukriegen. Ein beeindruckendes Schauspiel. Fast Food für Vögel – mehr oder weniger.

Bevor ich dann nach Leucate auf die Zielgerade einschwenken würde, dieses mal ganz klar mit dem Wind als meinem Freund im Gepäck, galt es noch ein Sieger-Selfie zu machen. So positionierte ich Alfred, gekonnt in Szene gesetzt, am Rande einer Hauptstraße mit Blick über den nördlichen Teil des Etangs von Leucate. Die Kamera positionierte ich in leicht erhöhter Position auf der anderen Seite der Hauptstraße, auf einem kleinen Turm aus großen Steinen, den ich extra zusammengebastelt hatte. Als ich dann alles eingerichtet, den Selbstauslöser Knopf schon gedrückt hatte und drauf und dran war einen kurzen Sprint ins Foto-Set einzulegen, zeigte sich der Wind doch noch mal kurz von seiner blöden Seite und wehte Alfred einfach um. Also alles nochmal von vorne, mit einem flauen Gefühl im Magen, dass es der Kamera hoffentlich nicht ebenso ergehen würde, während ich Alfred wieder hochrappelte. Schlussendlich hat dann aber doch irgendwie alles geklappt, der eine oder andere ungläubige Blick vorbeifahrender Autofahrer war mir sicher. Man kann sich eigentlich nur im Entferntesten vorstellen, welches Schauspiel ich dort abgeliefert haben musste, während ich zwischen Alfred und Kamera immer wieder über die Straße hopste und den Hügel hochkletterte. Aus dem Selfie sieht man leider nur das Endergebnis, von dem ich, ob der ganzen Action, doch irgendwie etwas mehr erwartet hätte. Sei’s drum.

Die letzten 30 km erledigte ich dann sage und schreibe in Windeseile mit einem leicht neckischen Blick gegenüber den anderen Radfahrern, die sich für die abendliche Spritztour leider für die falsche Richtung entschieden hatten. Selbst der eine oder andere E-Biker wollte hier nicht so recht vorankommen.

Und dann war ich da! In Ste Marie! 13 Radfahrertage und etwa 1350 km später. (Die genaue Kilometer-Zahl kann ich leider nur schätzen, da auch mein neues Handy inzwischen wieder den Geist aufgegeben hat. Und der Reparaturservice, gedankt sei es der DSGVO, erst einmal alle Daten löschen musste, so auch die Streckennotizen, bevor er an das Handy Hand anlegen durfte.)

Was für ein Ritt!

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