Der Hundefütterer

24. Juli 2016

Tag 28 – Von San Vicente de la Barquera nach Playa de Vega

Als ich heute Morgen aufstand um meine 7 Sachen in der Pilgerherberge zusammen zu suchen, die ich gestern aus irgendwelchen Gründen dort liegen gelassen hatte, waren die meisten der Übernachtungsgäste natürlich schon längst aufgebrochen. Ich freute mich noch über eine neue geschenkte, hippe Sonnenbrille und wunderte mich ein wenig darüber, dass mein Handtuch noch an der Wäscheleine hing. Hatte ich es vorhin nicht bereits eingepackt? Nach einer kurzen Gepäckkontrolle stellte ich leicht peinlich berührt fest, dass ich wohl das falsche eingepackt hatte. Es war allemal halb so groß wie meins, auch wenn es ihm in Farbe und Struktur recht nahe kam. – Irgendein Pilger fluchte nun offensichtlich ein gutes Stück entlang des Weges über den Verlust seines Handtuchs. (Wer die Bedeutung dieses Verlusts nicht erkennt, dem empfehle ich wärmstens Douglas Adams, Per Anhalter durch die Galaxis, Teil 1 bis 5.) Warum der beraubte Pilger nicht einfach mein (etwas größeres Handtuch) mitgenommen hatte, war mir mehr als fraglich. Jedoch freute ich mich über die Ehrlichkeit seinerseits.

San Vicente de la Barquera
So fuhr ich aus San Vicente de la Barquera hinaus, hinein in das Fürstentum Asturien. Am Horizont konnte ich nun wahrlich die Picos de Europa ausmachen: hohe, schneebedeckte Gipfel – leider zu weit entfernt, um sie auf ein Foto zu bannen. Später würde es mit dem Foto jedoch abermals nicht klappen (das war mir jetzt noch nicht bewusst), waren sie dann doch nur noch hinter den hervorquellenden Wolken auszumachen, die sich um sie herum breitmachten (siehe Bild unten).

Picos de Europa
In San Vicente begegnete mir kurz zuvor beim morgendlichen Café con leche noch eine Fahrraddemo, die anders als man es von zu Hause her kennt, ausnahmsweise mal ausschließlich fürs Fahrradfahren demonstrierte und für nichts anderes. Ich bekundete meine Sympathie mit ein oder zwei lautstarken Hupern Alfreds.

Beglückt fuhr ich des Weges. Die Berge machten mir scheinbar nun endlich wirklich nichts mehr aus. Sie machten sich allemal noch in der Durchschnittsgeschwindigkeit am Ende des Tages bemerkbar sowie in einem leichten Hungergefühl, dass sich nach einigen von ihnen in meinem Magen einstellte.

hungriger Hund
Auf einem der höchsten Buckel dieses Tages, den ich ausnahmsweise mal nicht per Nationalstraße umfuhr, weil ich eben grad so gut drauf war, bemerkte ich einen kleinen Hund in einem recht verlassen wirkenden Garten neben dem Jakobsweg. Er war an eine lange Leine gekettet und sollte wohl das ganze Gemüse vor den hungrigen Pilgern bewahren. – Glücklich sah er aber nicht gerade aus. Ich machte schnell Halt und wollte ihm schon etwas Wasser in seinen Eimer füllen, da sah ich, dass dieser immerhin randvoll war. An Wasser und einem Schattenplatz mangelte es ihm also nicht. Glücklich sah er trotzdem nicht aus. – Also brach ich meine Wegration, ein Baguette, in zwei gleichgroße Teile und kramte in Gedanken noch ein bisschen in dem Nahrungsvorrat herum, den ich so mit mir mitschleppte. Blöderweise hatte ich heute einen vegetarischen Tag eingelegt. Nicht absichtlich, aber ich konnte in dem kleinen Laden in San Vicente einfach keine brauchbare Wurst oder ähnliches ausmachen. Die Pasteten, mit denen ich in Frankreich allzu gerne mein Sandwich belegte, waren in Spanien Mangelware. Und mit Avocado und Tomaten konnte ich sicherlich keinen hungrigen Hund glücklich machen. – Da fielen mir die „Saucissons Secs“ ein, die ich seit Sainte Marie noch mit mir herumschleppte. Perfekt! Ich testete kurz an, ob sie noch zu gebrauchen waren und präparierte daraufhin einen ordentlichen Hot-Dog (hatte nur noch Chorizo) für den kleinen Hundi. Er freute sich wahnsinnig, schlang die wohl poportionierten Hot-Dog-Stückchen in großen Happen herunter und schloss mich ebenso schnell in sein kleines Hundeherz, wie ich ihn in meins. Dann ging es weiter. Das restliche Baguette brauchte ich schließlich für mich selbst.

Die eine oder andere Point & Click Adventure-Spielsituation entlang des Weges lies nicht lange auf sich warten, ich erspare mir es hier jedoch, diese genau aufzuführen. – Schließlich schreibe ich kein Lösungsbuch für „El Camino del Norte – Tobi’s und Alfred’s Abenteuer auf dem Jakobsweg“ by Lucas Arts osä.

Nach einer kurzen Siesta am Strand musste ich mir so langsam mal Gedanken über die heutige Übernachtungsmöglichkeit machen. Ich entschied mich für den Camping Playa de Vega, der im Google-Ranking recht weit oben stand. Er lag kurz hinter Ribadesella, was mir sehr genehm war, so konnte ich ein weiteres mal ein bisschen Strecke gut machen.

Playa de Vega
Wenn ich auf dem bisherigen Weg durch’s Baskenland, Kantabrien und Asturien (sprich gesamt Nordspanien) schon einige Male ins Schwärmen geraten bin, weil mich die gesamte Landschaft an eine ordentliche Mischung aus Australien, der Karibik und dem Schwarzwald erinnerte (eine kleine Portion Alpen kann man durchaus auch noch hinzufügen), dann übertraf die Schlucht, die ich nun durchquerte wirklich alle meiner landschaftlichen Erwartungen: tiefe (bzw. hohe) schroffe Felshänge, an deren Seiten sich die Eukalyptusbäume breitmachten, säumten den Weg bis zum Playa de Vega, einem kleinen Surferort mit ein paar Strandbars und herrlichen Wellen. Hier, so entschied ich schnell, könnte ich mich niederlassen. Wenn nicht nur für heute, dann auch gerne für immer.

Der Campingplatz war freundlich zu mir und wies mir das letzte kleine Plätzchen zu, was er gerade noch übrig hatte. Heute war außerdem Waschtag (man erinnere sich an die Socken vom Vortag) und auch das Wetter schien mitzuspielen. Nach der getanen Wäsche wollte ich eigentlich nichts anderes, als mich noch kurz in die Wellen werfen um daraufhin in den Reiseberichten zu versinken. Aber wie so oft ließen die Campinplatzbegegnungen das nur bedingt zu. – So lernte ich recht schnell Pierre aus Madrid (bzw. Belgien bzw. Frankreich) kennen, der den Kurztrip von Madrid an die asturische Küste wegen eines Elektrofestivals etwa 20 km im Inland auf sich genommen hatte. Er war sichtlich mitgenommen von dem vergangenen Tag und meinte, er könne gut ein paar Endorphine gebrauchen. Also entschied ich, man könne ja am Strand noch ein Bier zusammen trinken. Aus dem Bier wurden zwei und aus den zwei Bier wurde später noch eine Flasche Wein. Ein bisschen kam ich trotzdem noch zu dem, was ich mir eigentlich vorgenommen hatte. Aber wahrscheinlich auch nur, weil Pierre irgendwann die Müdigkeit übermannte. – Bei Kerzenschein, spät in der Nacht, durchforstete ich also noch ein wenig meine Fotos, ehe auch ich mich ins Bett gesellte.

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