Ankunft in Santiago

30. Juli 2016

Tag 34 – Von El Meson bis nach Santiago de Compostela

Der Morgen begann mit zwei kleinen kulinarischen Leckerbissen der besonderen Art. Am liebsten hätte ich beide gleich wieder ausgespuckt. Doch dazu war es leider zu spät, denn als ich beim Befüllen meiner Trinkflasche bemerkte, dass diese wohl seit einiger Zeit als Nährboden für ein paar leckere Pilzsporen fungiert, hatte ich den größten Durst nach dem Aufstehen schon gestillt.

Die Freude auf den morgendlichen Kaffee war dementsprechend groß. Doch dieser (wie hätte es anders sein sollen) entstammte einem Automaten, den man zwar nur mit 50 Cent füttern musste, dafür spuckte er aber auch nur eine laukalte Plörre aus. Bevor ich den zweiten Schluck nahm, beschwerte ich mich also mal vorsichtig über die Temperatur dieses Getränks, den Geschmack lies ich mal beiseite. Eigentlich hatte ich gehofft, ich würde einfach nur meine 50 Cent oder ein „lo siento“ zurückbekommen. Stattdessen wollte man mir nochmals einen Milchkaffee „zubereiten“. Ich intervenierte schnell und entschied mich spontan für einen Café solo (dem ich mal eine Chance geben wollte). Dieser war zwar nun etwas wärmer (heiß wäre gnadenlos übertrieben), schmeckte aber immer noch nur entfernt an etwas, das vielleicht vor einigen Jahren mal etwas mit Kaffee gemeinsam hatte. Ich spülte ihn unauffällig das Klo hinunter und verabschiedete mich (bedingt durch den fehlenden Kaffee) mit einem etwas müden Lächeln. Eine dritte Chance wollte ich dem Vollautomaten dann lieber doch nicht geben. (Irgendwie fühlte ich mich etwas an die Stelle im Anhalter erinnert, wo Arthur Dent versucht, der Nutri-Sens-O-Matic zu erklären, wie man eine Tasse Tee zubereitet. Die muss all das aber erst mal fein säuberlich mit dem Bordcomputer ausdiskutieren. – Als Ergebnis verwandeln sich zwei Atomraketen in einen Walfisch und einen Petunientopf. Aber immerhin bekam Arthur seinen Tee. – Dieses Schlamassel wollte ich dem Campingplatz gerne ersparen.)

galicisches Dorf
Ich fuhr nun also, immer noch etwas müde, durch das galizische Hinterland, vorbei an kleinen, rustikalen Dörfern Richtung Sobrado dos Monxes, wo ich meinen ersten Stopp einlegen und es nochmals mit einem Kaffee versuchen wollte. Ca. 90 Kilometer erwarteten mich, bis ich Santiago erreichen werde. Und dafür benötigte ich etwas Koffein.

Auf dem Weg nach Sobrado begegneten mir einige Schilder, die ich in dieser Form noch nicht kannte. Normalerweise kündigen sie eine „Area de Caza“ (ein Jagdgebiet) an, hier jedoch verwiesen sie auf streunende Hunde (die hoffentlich nicht zu Jagd freigegeben waren). Ich machte ja auf dem Camino bereits ein paar mal meine Erfahrungen mit nicht-streunenden Hunden, die jedoch frei herumliefen und mir und meinem Fahrrad ein paar hundert Meter hinterher jagten um ihr Revier zu verteidigen. Auf eine Bisswunde in der Wade hatte ich nun wirklich keine Lust, also suchte ich mir einen Stock am Wegesrand, den ich geschickt in meinem linken Flaschenhalter am Vorderrad unterbrachte. Nun sah auch Alfred aus wie ein echter Pilger.

Der Stock gefiel mir jedoch nicht, so suchte ich einen zweiten. Ein Eukalyptusast sollte es sein. Den erspähte ich darauf auch bald am Wegesrand, stellte Alfred ab, der bei diesem kleinen Manöver (es musste ja irgendwann so kommen) seinen Ständer einbüßte (hört sich komisch an, ist aber so). Er brach einfach ab. – Gusseisen ist unter diesen Belastungen wohl einfach nicht für die Ewigkeit geschaffen. Der Eukalyptusstock war zu lang, so warf ich ihn wieder weg, und ja… Shit! So einen Ständer vermisst man erst dann richtig, wenn man keinen mehr hat (hört sich abermals komisch an, ist aber so).

Duell mit Kuh
Um die folgende Begegnung mit der Kuh, die mir den Weg versperrte und mich ein wenig als Rivalen beäugte, zu fotografieren, musste ich mich auf meinem Fahrrad also ganz schön verrenken, ohne das alles inklusive mir einfach umfiel und sich die Kuh als Sieger dieses kleinen Duells wähnen konnte.

Sobrado dos Monxes
In Sobrado bekam ich nun endlich meinen Kaffee, legte noch einen unreifen Pfirsich und zwei Madeleines hinzu und fühlte mich nach diesem erheblichen Verlust nun wenigstens ein bisschen gestärkt für die restliche Etappe. Zu guter Letzt fand ich neben einem Brunnen noch einen verlassenen Pilgerstab aus Bambus, den ich seither mit mir herumfahre. Als kleinen Obolus hinterließ ich einen krummen Ast, der leider nur wenig als Wanderstecken taugt. Der Pilger, der seinen Stock dort hinterlassen hatte, möge es mir verzeihen.

lässiger Radfahrerpilger
Mit so einem Wanderstab am Fahrrad kommt man besonders während einer Abfahrt richtig lässig daher. Mit der einen Hand hält man den Lenker fest, mit der anderen stützt man sich auf dem Pilgerstab ab. Ich hatte schon überlegt, mir noch einen zweiten zuzulegen und an der anderen Seite des Lenkers zu befestigen. Damit hätte ich Alfred dann erfolgreich in ein Chopper-Bike verwandelt.

Falscher Wegweiser
Vorsicht sei auf den letzen Metern dennoch geboten, möchte einen das eine oder andere Schild doch zu gerne in die Irre leiten.

Hier gehts nach SantiagoJe näher ich Santiago kam, desto mehr häuften sich auch die Pilger des Weges. Kein Wunder, stößt der Nordweg hier doch auf den Camino Francés. Wenn ich es mir genau überlege, wusste ich gar nicht so recht, was ich in Santiago soll. Vom Gefühl her war es mehr eine weitere Station auf meinem Weg, als ein deutliches Ziel. Zudem muss es dort von Pilgern und Touristen nur so wimmeln. Als ich auf der Plaza vor der Kathedrale ankam, erschloss sich mir genau diese Bild: Hunderte von Pilgern und ein paar Gruppen von Radsportlern hatten sich dort versammelt und posierten für das Selfie vor der Basilika. Die Straßenecken waren voll von fahrenden Händlern, die einem allerlei touristischen Kram andrehen wollten. Darunter billig verzierte Pilgerstäbe (sehr sinnvoll am Ende des Caminos) und Jakobsmuscheln in jeglicher Form und Farbe. Das Pilgerbüro, das einem die Compostela ausstellen sollte, suchte ich stattdessen vergeblich. Auf die Wegbeschreibung von Passanten hatte ich an diesem Abend keine Lust. Ich würde mich morgen früh damit beschäftigen, dann wäre sicherlich auch die Warteschlange kürzer.

Die Basilika in Santiago
Hape Kerkeling schrieb in seinem Buch über den Jakobsweg, dass jeder seinen ganz persönlichen Empfang in Santiago erhält. Da meine Reise hier aber noch lange nicht zu Ende ist, war ich mir gar nicht sicher, ob ich hier überhaupt empfangen werden wollte. – Einen kleinen persönlichen Empfang gab es dennoch: Kurz vor Erreichen des Monte Gozo, begrüßte mich ein junger Autofahrer, der gerade dabei war unter lautstarker Reggaeton-Musik in seine Einfahrt einzufahren. Das sollte mir genügen.

Ich suchte noch schnell den Campingplatz auf, bemerkte, dass ich vorher auf dem Weg in die Innenstadt bereits knapp daran vorbei gefahren war und begrüßte mich selber in Santiago mit einem großen Landebier.

Mein Zelt stellte ich im hinteren Teil des Campinggeländes auf, wo sich neben mir bereits eine Schweizerin und ein Holländer niedergelassen hatten. Wie ich nach einem kleinen Gespräch mitbekam, ist die Schweizerin vor etwa drei Monaten zu Fuß in ihrem Heimatort aufgebrochen. Ihren Hund hat sie mit auf den Camino genommen. Statt einer Compostela, die ihm das Pilgerbüro partout nicht ausstellen wollte (seine Gründe für den Camino waren wohl nicht religös genug), gab es für ihn eine große Wurst. Ein adäquater Ersatz, wie ich finde.

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