Mut zur Vernunft

22. Juli 2016

Tag 26 – Von Pobena nach Somo

Wow, jetzt hab ich ne knappe Woche nachzutragen und die Tage verschwimmen so langsam. Mal schauen ob ich das irgendwie hin bekomme.

Die Nacht in der Hängematte, ja… gut sie hätte gegen später vielleicht etwas trockener sein können. Aber wenn man sich geschickt umdreht, kann man einen guten Teil der Hängematte über sich als Dach ausbreiten. Den Rest erledigt dann die Palme für einen.

Meinen Wecker hatte ich leider verpennt. Er klingelte unaufhörlich irgendwo in meiner Tasche verstaut und nicht ein einziger Laut drang zu mir durch um mich aus dem Schlaf zu rütteln. Dabei wollte ich eigentlich recht zeitig aufstehen um nicht zu viel Aufmerksamkeit zu erregen. Bekam ich dann zwar trotzdem hin, so gegen kurz nach 7 Uhr. – Den Müllmann, der neben mir hantierte, hatte meine Anwesenheit offensichtlich auch nicht gestört. Er machte jedenfalls mehr Lärm als mein Wecker.

Geschickt so eine Nacht in der Hängematte. – Ich hatte nicht einmal meinen Schlafsack ausgepackt um den Aufwand am nächsten Morgen so gering wie möglich zu halten. Als Decke mussten meine Klamotten und ein Handtuch (!) herhalten. Funktionierte ohne Probleme, denn es war nicht wirklich kalt in dieser Nacht.

Pobena
Blick auf Pobena
So gegen halb 8 Uhr machte ich mich dann auf, um in der nahegelegenen Pilgerherberge noch einen Stempel abzugreifen. – Schnitzeljagd lässt grüßen. Ein kurzes rudimentäres Frühstück und weiter ging es auf dem Jakobsweg entlang der Küste. – Bisher sicherlich eines der schönsten Stücke. Immer wieder begegnete ich Pilgern, die ich schon beim Frühstück begrüßt hatte, aber irgendwann waren auch diese gnadenlos überholt.

das kleine Geschäft entlang des Weges
Abgesehen von der pittoresken Schönheit dieses Abschnitts des Jakobswegs, bestach er auch durch die freundliche Einladung, am Wegesrand immer mal wieder ein Häufchen zu hinterlassen. Ich erinnerte mich ob der vielen Klopapierfetzen an die Erzählungen einer ehemaligen Kommilitonin, die den Camino Francès bereist hatte und etwas entrüstet über genau dieses Spektakel berichtete. – Es formte sich also eine ungemein sinnlose Geschäftsidee in meinem Hirn: Ökotoiletten entlang der Jakobswege platzieren und die ganze Scheiße alle paar Tage mit dem E-Bike aufzusammeln. – Nun ja, wer Lust drauf hat. Die Idee ist noch frei. Ich erhebe keinen übermäßigen Anspruch darauf. Dem Weg täte es allerdings gut.

Nordweg
Freuen konnte ich mich an diesem Tag über so einiges: schönes Wetter, ein paar nette Unterhaltungen, Tunnel wo eigentlich ein Berg hätte sein müssen und eine gute Geschwindigkeit, die dank der vielen Pausen, die ich einlegte leider etwas relativiert wurde.

Comillas
130722-120206
Die schönen Berge, die ich am Wegesrand mit meinem Foto festhielt, verwechselte ich blöderweise mit den Picos de Europa (bis mich mein Bruder an jenem Abend eines besseren belehrte). Zwar gab es schon den einen oder anderen Straßennamen, der auf diese hinwies, aber die Picos de Europa sollte ich erst ein paar Tage später zu Gesicht bekommen – und dann auch nur ganz kurz und aus weiter Ferne, gesellen sich um diese doch allzu gerne ein paar undurchdringliche Wolken.

Laredo
Den Blick auf Laredo (nicht zu verwechseln mit Loredo) wusste ich nicht wirklich zu deuten. Eine riesige Bucht bestückt mit allerlei Touristenbunkern. Trotzdem sehenswert, soviel ist klar.

Santona
Dort begann nun auch die ganze Fährerei (Sagt man das so?). Mit einem Fahrrad, das ungefähr 50 Kilo auf die Waage bringt, ist das meistens gar nicht so einfach und es bedarf mindestens 1 bis 2 Helfern, die vorne und hinten mit anpacken. Diese finden sich Gott sei Dank jedoch meistens recht zügig. Zum Teil melden sie sich sogar freiwillig.

Mirador
Den Aussichtspunkt, den ich an diesem Tag noch entlang der Strecke besuchte, erwähne ich hier allemal wegen seiner absoluten Aussichtslosigkeit. Würde man den Schlafplatz eines Obdachlosen unter einer Brücke mit dem Schild „Mirador“ versehen, hätte man in etwa das gleiche Ergebnis inklusive dessen Aussicht.

Endlich konnte ich nun einmal ein paar Kilometer auf der Strecke gut machen (was sich in den nächsten Tagen schnell wieder relativieren würde), so radelte ich, als ich Güemes erreichte, noch ein kleines Stück weiter bis nach Santander bzw. kurz vor Santander bis nach Somo. Im Grunde genommen machte ich eigentlich gar nicht so viel Strecke an diesem Tag, trotzdem war ich absolut fertig als ich gegen 5 Uhr am Campingplatz ankam. Frühes Aufstehn, so schlussfolgerte ich, bekommt mir also absolut nicht. Anscheinend schaffe ich mehr Kilometer an einem Tag, wenn ich erst zur Mittagszeit aufbreche. Schön war es trotzdem mal etwas zeitiger anzukommen. Die Mädels vom Nachbarzeltplatz warfen mir hoffnungsvolle Blicke zu, was man, wie ich in Frankreich gelernt hatte, als sich abzeichnende „soirée avec perspective“ bezeichnet. Nachdem ich nach meiner Ankunft etwa eine gute Stunde damit beschäftigt war, einfach am Zaun zu lehnen, ohne auch nur einen Finger krumm zu machen (zwecks Zeltaufbau oder dem üblichen Campingplatzgeraffel) huschten die Mädels lächelnd nun auch schon zum zweiten Mal an mir vorbei. Beim dritten Huscherl luden sie mich dazu ein, mit ihnen auf die Feria nach Santander zu gehen. Hundemüde wie ich war, gab ich mich nachdenklich gewillt um daraufhin freundlich abzulehnen. – Nach Santander kommt man von Somo aus nur mit der Fähre und diese verkehrt in der Nacht nicht, auch nicht während des Stadtfestes. Lena und Lilly machte das nichts aus, sie würden um halb 10 Uhr morgens die erste Fähre zurück nehmen um daraufhin schlaftrunken bei Regenwetter in ihrem Zelt zu versinken. Besser kann man es wirklich nicht machen. Aber nicht für mich, ich bin auf dem Weg nach Compostella, übe mich scheinbar in Enthaltsamkeit und ziehe es vor morgens um halb 10 Uhr mein Camp bei Regenwetter abzubrechen um daraufhin einen Milchkaffee nach dem anderen zu trinken bis ansatzweise die Sonne hervorlugt. Glücklicherweise dauerte es exakt nur einen Milchkaffee lang und der Regen hatte sich für den restlichen Tag verabschiedet. Doch das ist eine andere Geschichte.

1 comment

  1. Comment by Ralf

    Ralf Reply 9. August 2016 at 21:47

    Hihi wir (deine Zeltplatznachbarn aus Erfurt) waren am nächsten Tag in Santander auf der Feria und es hat sich gelohnt.hoffe dein Alfred hält durch

Leave a reply

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Go top