Hollywood wird Wirklichkeit

25. Juli 2016

Tag 29 – Von Playa de Vega zum „El peregrin cansau“

Der heutige Tag sollte mich eigentlich nach Gijón führen. Oder zumindest irgendwo in dessen Nähe. Am Morgen versuchte ich abermals, mich noch ein wenig meinen Reiseberichten zu widmen, was leider an der Reglementierung, den Zeltplatz gegen 12 Uhr zu verlassen scheiterte. Ich scherte mich zwar nicht wirklich drum und verpasste Alfred eine zweite Generalreinigung, aber irgendwann musste auch ich weiterziehen.

Kapuzinerkresse
Der Beginn des Tages machte sich aus irgendeinem Grund mittels eines immensen Hungers bemerkbar, den die zwei Tostadas con Tomate nicht wirklich zu stellen vermochten. Da ich aber schon unterwegs war und sich meine Nahrungsvorräte so langsam erschöpft hatten, musste ich mit dem Grünzeug am Wegesrand vorlieb nehmen. Einen Haufen Kapuzinerkresse, die sich hervorragend für einen Salat am Abend eignen würde, gab es dort zu pflücken. – Ich mampfte sie einfach so in mich hinein. Den Bauch füllte das zwar nicht, aber immerhin ein paar wertvolle Vitamine waren mir so gegönnt. An der nächsten Ortschaft sowie einigen Restaurants fuhr ich ebenfalls vorbei ohne Halt zu machen, dachte ich wohl, dass mir der Pfirsich in meinem Gepäck noch für einige Kilometer genügen würde. – Das tat er zwar auch, nur zogen sich die Kilometer etwas in die Länge: keine Ortschaft weit und breit für mindestens 20 davon.

Immer wieder beäugte ich gierig die entlang des Weges angelegten Plantagen, auf denen zwar ein Haufen leckeres Zeug wuchs, aber nichts davon wirklich reif und damit verzehrbar war. Irgendwann kam ich (ich übersah es fast) an einem kleinen Schild vorbei, das zur Stärkung in den Innenhof einer kleinen Finca einlud. Das konnte ich mir nun wirklich nicht entgehen lassen. Zwar wusste ich mit dem Schild nicht wirklich viel anzufangen, aber irgendetwas wird es da schon geben.

Als ich in den Hof einbog, begrüßte mich johlend eine kleine/große Gruppe Pilger, die an einer Tafel zu Mittag aßen und mir recht zügig zwei mit Paella belegte Baguette zuschoben (den Hunger sah man mir wohl an). Nachdem ich mich kurz vorgestellt hatte, gesellte ich mich auf ein kurzes alkoholfreies Bier zu ihnen und überdachte die Einladung ihrerseits, doch den Abend mit ihnen zu verbringen.

el peregrin cansau
Knappe 40 km standen mir bis Gijón noch bevor und bereits an einer anderen, kleinen Pilgerherberge am Fuße des Berges, den ich grade im Zuge war, zu bewältigen, schlug ich die Einladung einer Französin, die Nacht für ein Gitarrenspiel zu bleiben, genau mit der Begründung aus, „ich hätte da heute noch was vor mir“. – Irgendwie konnte ich nun aber doch nicht mehr „Nein“ sagen. Zu herzlich war die Gruppe, zu verlockend ein gemeinsamer Abend. – Auf meinem Navi checkte ich kurz die Strecke für den nächsten Tag und entschied im folgenden, dass es trotz der fehlenden 40 km möglich wäre in meinem Zeitplan zu bleiben, der ja eh schon einen Tag hinterher hängt. Ich packte also wie gewünscht meine Gitarre aus und das, was man sonst nur aus Filmen über den Jakobsweg kennt, passierte nun auch mir.

Die Dame des „El Peregrin Cansau“ (was im Grunde genommen gar keine Herberge, sondern allemal ein privater Spot war, wo Pilger zu neuen Kräften finden konnten) verwöhnte uns abseits des Mittagessens (was ich zum größten Teil leider verpasste) mit Kaffee, selbst angesetzten Likören, einem Abendessen, Bier und jeder Menge Sidra.

Sidra
Anna aus Spanien hatte einen sichtlichen Spaß daran, diesen, so wie es sich gehört, in kleinen Mengen aus etwa ein Meter Entfernung in ein Glas einzuschenken und damit die Runde zu machen. Marco aus Italien verzichtete wie man sieht auch gerne auf das Glas.

el peregrin cansau
Jeder fand seinen ganz persönlichen Hundefreund und später bastelten wir aus meinem kleinen Survival-Beutel noch ein Memory-Spiel, wo ich mitunter am schlechtesten abschnitt. (Dabei sollte man meinen, ich müsse eigentlich wissen, was ich alles mit mir herumschleppe. – Nun ja, offensichtlich ist dem nicht so.)

Survival Beutel
Der Abend endete bei Gesprächen über das Leben, das Universum und dem ganzen Rest (alles was einen auf so einer Reise halt so bewegt) und der nächste Morgen begann (zuweilen recht früh) mit den üblichen Fragen nach der Sinnhaftigkeit der abendlichen Gespräche, sowie ihrer Korrelation zu dem sich manifestierenden Kater und dessen Bezug zu dem ganzen Likör und Sidra vom Vorabend. – Manche, sehr schlaue Leute sind der Meinung, dass, wenn man die Wechselwirkung zwischen diesen einzelnen Akteuren bis ins letzte Detail erörtert, sich einem die allerletzten Rätsel des Universums einfach so aus der hohlen Hand heraus offenbaren werden. Meistens scheitert dies jedoch an der Kopfschmerztablette, die man sich am nächsten Morgen einwirft. Und allermeistens scheitert es schlicht an dem Unwillen seiner selbst, mit dieser Erkenntnis nun die ganzen nette Gespräche bei Likör und Sidra am Abend aufgeben zu müssen.

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