Monkey Island 2

Tag 1 – Von Weil der Stadt nach Neuhofen

Man könnte meinen, ich würde nicht ganz wissen in welcher Richtung die Schweiz liegt. Jene Ländergrenze, die ich üblicherweise auf meinem Weg Richtung Südfrankreich passiere. Man könnte auch meinen, ich würde meiner Tour eben dahingehend etwas mehr Variation verschaffen, indem ich nun über die Pfalz nach Frankreich einschwenke. Beides ist falsch. Ich wollte schlicht noch einen guten Freund, seines Namens Michi, in der Nähe von Speyer besuchen. Warum auch nicht.

Das Wetter war jedenfalls, wie üblicherweise für den Abfahrtstag, miserabel bis gar nicht vorgesagt. Und genau dank diesem „gar nicht“ war es mir schlussendlich doch möglich einen Tag verspätet die Abreise anzutreten. Die Aussichten besserten sich spontan, da das gröbste Mistwetter schon am Tag zuvor die Wolkendecke verließ und mir stand bis auf einen abendlichen Gewitterschauer ein schöner angenehmer Reisetag bevor. So muss das sein! Wäre da nur nicht das Übergewicht seitens Alfred gewesen, mit dem ich mich nun zum ersten mal seit 3 Jahren wieder herumschlagen musste. Aber was soll’s, wir hatten uns schließlich beide vorgenommen etwas abzunehmen. Und des einen Mehrgewicht würde dem anderen bei dessen Reduzierung auch irgendwie behilflich sein.

Wie üblich lies der erste Anflug von Radfahrerdurst auch bei leichter Bewölkung nicht lange auf sich warten und so kramte ich gedanklich recht schnell nach den isotonischen Getränken in meinem Gepäck. Ich fand sie einen knappen Kilometer später im Gefrierfach meines Kühlschranks, den ich guten Gewissens nicht mit im Gepäck hatte. Also musste ein schneller Not-Einsatz meines Bruders dafür herhalten, dem explosiven Fiasko bei meiner Rückkehr Einhalt zu gebieten. Immerhin konnte ich ihm den Vorschlag unterbreiten, die gut gekühlten Getränke, bei zeitnahem Einsatz seinerseits, noch selbst genießen zu können.

Ich merkte auch recht schnell, dass ich mal wieder so überhaupt nicht in Form war, jene Reise anzutreten, auf die ich mich seit langem schon so freute. – Der untere Rücken meldete sich bereits bei der Abfahrt mies gelaunt zu Wort und der Hüfte teilte ich gleich nach dem ersten Anstieg klipp und klar mit, sie müsse jetzt gar nicht erst mit Diskutieren anfangen. Es sei sowieso wie es ist. Glücklicherweise traf ich mich abends noch mit weiteren Freunden in Speyer, darunter auch Dita, eine Physiotherapeutin, die mir netterweise ein paar Übungen zeigte, mit denen ich meinen Wehwehchen etwas Einhalt gebieten konnte. – Um ehrlich zu sein, kam ich leider bisher, nach nun einer knappen Woche auf dem Rad, noch nicht wirklich dazu, mich diesen intensiv zu widmen. Irgendwie hat sich dann halt doch alles auch so wieder gen Normalzustand eingerenkt.

Ich pflege es ja immer noch (und natürlich gerade jetzt, im Zuge meines Projekts „CaminoCleanup“) unterwegs ab und an herumliegenden Müll aufzusammeln. Die Zeit sollte man sich einfach nehmen. Auch wenn es manchmal nur ein paar Plastikflaschen sind. Das Äquivalent meiner spanischen Tomatenkiste von anno dazumal fand ich selbst in Deutschland wieder recht schnell am Rande eines Feldweges. Und so darf sich Alfred nun nahezu „original equipped“ schimpfen.

Zum Müll aufsammeln sei folgendes gesagt: Es lohnt sich! Nicht nur weil man der Natur und damit sich selbst einen Gefallen tut. Nein, es widerfahren einem einfach tolle Dinge. Vor allem während einer Reise.

So war ich zum Beispiel auf der Suche nach einer netten Sitzgelegenheit, sprich Bank, gemütlich gelegen an einem Feldweg um meine Brotzeit einzunehmen. Das Problem, es gab einfach keine. Kaum zu glauben, aber über mehrere Kilometer wurden in dieser Gegend sämtliche Spaziergänger, die sich nach einer wohlverdienten Pause sehnen, einfach im Stich gelassen. So auch ich. Bis… Bis ich einen Tetrapak „Durstlöscher“ vom Wegesrand in meine Tomatenkiste beförderte. Dann war sie da die Bank, keine 5 m später hinter der nächsten Hecke. Gut, man könnte jetzt sagen, die Bank wäre auch so oder so dagewesen. Aber man könnte auch sagen, ich wäre vielleicht einfach an ihr vorüber geradelt, ohne sie überhaupt zu bemerken.

Manchmal ist es aber auch umgekehrt. Man fährt dem Regen entgegen und trifft plötzlich auf einen netten Unterstand. Just in jenem Moment, wo es zu Schütten anfängt. Stellt sein Rad ab. Bemerkt vom Glück beseelt den Strauch saftiger, wilder Brombeeren, die nur darauf warten, gegessen zu werden. Dreht sich um. Sieht einen weiteren „Durstlöscher“ am Boden liegen und wirft auch diesen in die Tomatenkiste. – In welcher Richtung bei solchen Aktionen das positive Karma seine Wirkung entfaltet, ist nur schwer zu sagen. Aber Fakt ist, dass es funktioniert.

Apropos „Durstlöscher“: Ich plädiere für ein Pfand auf Tetra-Paks!

Kommen wir nun vom „Durstlöscher“ dorthin, wo man ihn nicht kaufen kann. Im Aldi. Im Aldi kann man, wie ich unterwegs bemerkte, aber oftmals nicht mal jene Dinge kaufen, von denen man das üblicherweise in einem Aldi erwarten würde. Nein, inzwischen hat sich scheinbar (vor Allem um den Großraum Karlsruhe herum) jedwede alternative Nutzungsform des Aldis, besser Aldi-Gebäudes, breit gemacht.

Ist es euch schon mal aufgefallen? Ein Aldi steckt meistens in einer ganz bestimmten Art Gebäude. Und auch wenn es keine architektonische Meisterleistung ist, so hat es jener Architekt, der dieses Gebäude irgendwann in seinen Grundzügen entwarf, doch fertig gebracht mit seinen Blaupausen eine ganz klare Message zu transportieren: „Bei diesem Gebäude handelt es sich um einen Aldi und um nichts anderes!“ – Egal ob nun ein Fitnessstudio darin Platz gefunden hat oder beizeiten auch mal eine Shisha-Bar. Früher war es mal ein Aldi, soviel ist klar. Fragt sich nur wie sich die Besucher eines solchen umfunktionierten Etablissements fühlen. Bleiben hier selbst nach dem eigentlichen Nutzungszeitraum als Aldi noch subliminale Werbebotschaften bestehen. Eventuell… Was wiederum eine Erklärung dafür wäre, warum direkt neben dem Fitnessstudio-Aldi auch schon wieder ein neuer, diesmal richtiger, Aldi aufgemacht hat. Natürlich im gleichen Gebäude-Stil.

Ich möchte euch jetzt eigentlich nicht länger mit unwichtigen Details meiner ersten Tagestour langweilen. Aber wer meinen Blog kennt, weiß, dass man da nur schwer drum rum kommt.

Wie dem auch sei, ich bin jedenfalls irgendwann in Speyer angekommen. Die nicht erfolgte Fährüberfahrt in dessen Süden, die netten Unterhaltungen mit den Menschen in der „Trinkhalle“ (eigentlich nicht viel mehr als ein Unterstand) und die Unfähigkeit seitens Komoot auf eben jene, der eigenen Handlungsfähigkeit entrissene Flussüberquerung, im Vorfeld hinzuweisen, seien hier nur am Rande erwähnt.

In Speyer war Brezelfest. Was auch immer das sein bzw. heißen mag. Schlußendlich entpuppte es sich sich als kleinere Version des Oktoberfests. Mit dieser Erkenntnis schwang dann auch die Gewissheit mit, dass man dort mit einem schwer beladenen Rad nur dürftig vorankommen wird. So verabredete ich mich mit Michi, Sascha und Dita also direkt am Rheinufer in einem Biergarten. Nach dem ersten Bier musste Michi mir allerdings eingestehen, dass der Biergarten zwar ganz gut zum Durstlöschen herhalte, allerdings nur bedingt zur all so nötigen Reichung des Abendessens. Also trank man noch ein zweites erfrischendes isotonisches Getränk und bestellte Sascha und Dita in ein anderes Lokal am Flussufer, was allemal nur wenige Kilometer entfernt sein sollte. Knappe 15 km später hatte dieses bei Ankunft natürlich geschlossen. Das darauf folgende ebenfalls. Und als bereits die Nacht hereinbrach, konnten wir nur dank meiner hungrigen Radfahrermine in einem namenlosen Biergarten an einer ebenso namenlosen Hauptstraße noch jeweils einen Wurstsalat abgreifen. Sowohl dieser, als auch der daraufhin gereichte Schnaps hatten es allerdings ins sich.

Was ich bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht erwähnte: Aufgrund eines nicht zu begreifenden allgemeinen Energieproblems verabschiedete sich mein Handy an diesem Abend in eine Endlosschleife seitens seiner Notwendigkeit einen Neustart auszuführen. Da halfen selbst diverse Affengriffe nichts. Das Ding konnte man also mehr oder weniger in die Tonne kloppen. Und mit dem Navi war dementsprechend auch nichts mehr anzufangen. Man musste also auf andere Mittel ausweichen, um den Nachhauseweg zu finden.

Kein Problem für Michi. Er hatte eine Landkarte dabei, wie man das aus alten Zeiten so kennt. Der Mond stand hell am Himmel. Etwas Nebel zog auf. Sascha und Dita, die mit dem Auto unterwegs waren, schickten wir in weiser Überlegung schonmal voraus.

Die erste Einfahrt in die richtige Richtung verpassten wir. Von der zweiten Abzweigung, die wir zuerst auch nicht nahmen (dafür aber etwas später) bin ich bis heute noch nicht so recht überzeugt, ob es die richtige war. Der Campingplatz am Wegesrand mache laut Michi an dieser Stelle einfach keinen Sinn. Als wir dann völlig planlos vor einer Hauptstraße endeten, der Mond immer noch in recht ähnlicher Weise wie zuvor am Himmel stand und Michi ein wenig den Faden auf seiner Landkarte verlor, packte ich mein Ersatzhandy aus, welches zwar auch nicht gerade mit einer tadellosen Funktionsweise gesegnet war, aber immerhin etwas musikalische Untermalung des ganzen Schlamassels versprach.

Wider Erwarten zeigte es uns dann aber doch noch den richtigen Weg zurück nach Hause. Damit einher kam dann auch die Erkenntis bzw. die Bestätigung mehrmals im Kreis gefahren zu sein.

Ehe ich diese halbfrohen Mutes verkünden konnte, sah sich Michi unverhoffter Weise gezwungen einen Abstecher entlang der Hauptstraße zu machen, der meiner Ansicht nach eher fehl am Platz war. Mich erstaunte es doch sehr, als ich mich umdrehte und er auf einmal nicht mehr da war. Wie er mir später mitteilte, war er nicht minder erstaunt, als er auf seiner Spritztour nach wenigen Metern den Biergarten vorfand, wo wir eine gute halbe Stunde zuvor die Wurstsalat-Rechnung beglichen hatten. Als wir dann zum 3. Mal an einem ganz bestimmten Toilettenhäuschen vorbei radelten, kapierte ich überhaupt nichts mehr und fühlte mich mehr und mehr mal wieder in die Computerspielwelt von Monkey Island 1 zurück versetzt, wo Guybrush Threepwood verzweifelt damit beschäftigt ist, aus einem Glühwürmchen-Wald den Ausweg zu finden.

Navi sei Dank, sind wir schlussendlich dann doch irgendwann bei Michi zu Hause angekommen. Dort wo Sascha und Dita mit einer elendslangen Geduldsmine bereits auf uns warteten.

Ein glorreicher erster Tag wie ich finde!

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