Gefühlte 5 Sterne im Hostal

8. August 2016

Tag 43 – Von Navarette nach Tudela

Auf dem Weg nach Logrono, fuhr ich nun ein letztes Mal am Camino Francés entlang, ehe ich mich auf den Camino Rototom verabschiede. Hier, noch relativ am Anfang der Strecke Richtung Santiago, sind die Pilger offenbar noch richtig motiviert und nutzen jede kleinste Pause um am Wegrand irgendein selbstgebasteltes Zeichen zu hinterlassen. Das ganze zieht natürlich das typische Schwarmverhalten nach sich und so wurde ein einfacher Maschendrahtzaun kurzum zur religösen Andachsstätte, wo jeder sein ganz persönliches Kreuz hinterließ. (Mit Sicherheit eine unüberwindbare Passage für die Dauercamper aus Sahagún. – Ich kann mich nun endlich in Sicherheit wiegen.)

Trotz der netten Idee erinnerte mich das ganze mehr an Kreuze am Straßenrand, mit denen man Unfallopfern gedenkt, was dieser netten Idee einen recht makabren Beigeschmack hinzufügte. Ich suchte vergeblich ein Herz (das Symbol für die Liebe – meiner Ansicht nach viel passender für so eine herzlose Passage). Irgendwann fand ich dann doch noch eins, es war aber recht krumm und schief. Ging aber gerade noch als Herz durch. – Es ist halt nicht ganz einfach aus zwei Stecken ein Herz zu basteln. Irgendwie hat es dann doch einer hingekriegt.

Als nächstes passierte ich ein Kreuz, das jemand aus einer alten, rostigen Fahrradkette geformt hatte. – Soll mir das etwa ein Zeichen sein? (Meine Kette hat nun schon gute 3500 km drauf und machte auch inzwischen so ab und an ihre ganz eigenen Spirenzchen.) Normalerweise soll man sie so grob nach 2000 km austauschen, sonst gehen die Zahnkränze zu sehr an Arsch.
Ich wertete das also mal als Zeichen und suchte in Logrono sogleich einen Fahrradshop auf, wo ich mir zumindest mal ein passendes Ersatzglied für die Kette zulegen wollte. Nebenbei fragte ich noch, ob er kurz mal nachsehen könne, ob die Kette noch für weitere 500 km taugen würde. Und siehe da, wer hätte es gedacht: Natürlich nicht.

Logrono
Er war jedoch recht flink bei der Hand und hatte im Gegensatz zu den vielen anderen Bike-Shops in Spanien auch kein Problem damit, eine kleine Notfallreparatur zwischen rein zu schieben, um mir eine zügige Weiterreise zu ermöglichen. Leider vertrug sich mein alter, geschundener Zahnkranz (nun schon gute 8000 km im Einsatz) nicht mehr mit der neuen Kette und lies diese bei einer kleinen Probefahrt mehrmals über sich selbst springen. Es ist wohl wie bei dem Esel und der Ziege: Was zusammengehört, will auch zusammenbleiben. (Wer das nicht versteht, der Youtube mal ein bisschen durch das Netz.) – So wanderte mein alter Zahnkranz zusammen mit seiner doch so geliebten Kette in die Tonne und zu der neuen Kette gesellte sich ein ebenso neuer Zahnkranz, der mir nun auch noch die Bergfahrten erleichtern sollte. Wunderbar! – Diese ganze OP dauerte dann aber doch ne knappe Stunde, da auf einmal ein reger Betrieb in dem Bike-Shop herrschte.
Für alle, die jemals mit dem Fahrrad auf dem Camino Francés unterwegs sind und in Logrono einen kleinen Pit-Stop einlegen müssen, denen sei der Bike-Shop „Roller Bike“ wirklich ans Herz gelegt. Hier wird man prompt bedient und kann als Pilger noch am selben Tag die Weiterreise antreten.

Meine verzögerte sich nun leider aber doch bis 14 Uhr, ehe ich den Weg aus Logrono den Ebro entlang heraus fand. Der Wind, der mir die letzten Tage kontinuierlich in die Fresse wehte, (als Nahrungsressource relativ unbrauchbar, besteht er doch meistens nur aus heißer Luft und ein paar Mücken) unterstütze mich nun mit guten 30 km/h aus Nord-Westlicher Richtung und gab mir den nötigen Antrieb, um meinen Schnitt auf gute 25 km/h hochzutreiben. – Und so sollte es die nächsten Tage glücklicherweise auch bleiben.

Pokémon-Go für Profis
Nebenbei bemerkt: Die Sache mit den überdimensionierten Stieraufstellern, die man in Spanien hin und wieder mal am Wegesrand entdeckt, hat irgendwei etwas von „Pokémon-Go“ (auch wenn ich es nie gespielt hab). – Ich ziehe die Version für fortgeschrittene Spieler vor: „Torro-Go Pro!“, da liegen die Viecher, die man aufspüren muss schon mal gute 500 km voneinander entfernt.

Navarra
Ich verließ La Rioja (was wirklich schade um den guten Hauswein war) und durchquerte den südlichen Zipfel Navarras, bis ich etwa gegen 9 Uhr abends die Stadt Tudela erreichte. Leider gibt es in dieser Region Spaniens keinen Campingplatz weit und breit. Die Landschaft kurz vor Tudela hätte zwar ein paar wunderschöne Naturspots zu bieten gehabt, leider waren meine Nahrungs-, Wasser-, sowie Stromvorräte nahezu aufgebraucht. Den Akkustand meines Handys konnte ich nur dank einstudierter Lademanöver mit diversen Akkupacks, die ich abwechselnd am Fahrraddynamo anschloss, immerhin grade noch so um die 10% halten. Gerade genug, um einen alternativen Schlafplatz irgendwo in der Stadt ausfindig zu machen. Die Albergue in Tudela entpuppte sich nun zum ersten mal wirklich als Jugendherberge, die ohne Voranmeldung (großer Gruppen) keine Anstalten macht, ihre Türen zu öffnen. Gott sei Dank lag um die Ecke ein gemütliches Hostal mit Bar und Restaurant, in dem ich mehr als froh war, einkehren zu können. Die 33 Euro war das Zimmer mit allerlei Steckdosen, Wifi und minimalistischer Badewanne allemal Wert. Vom Luxus nur so verwöhnt, lud ich alle meine elektrischen Geräte inkl. Rasierapparat über Nacht auf und schrieb bis in die Morgenstunden an meinem Blog. Perfekt wäre es noch gewesen, die Beine in der Badewanne auch ausstrecken zu können, aber ich will ja mal nicht übertreiben.

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