Die Welt ist bunt!

1. Oktober 2016

Von Almócita nach Órgiva

Eigentlich hatte ich den Campingplatz bei Almócita schon ein klein wenig in mein Herz geschlossen. Die einäugige Katze, den süßen Dackel, das gute Bier, die seltene Notwendigkeit etwas zu Essen bestellen zu müssen. Aber auch von hier musste ich Abschied nehmen. (Das hört sich jetzt wirklich dramatischer an, als es eigentlich war.) Auf die Empfehlung von Rosalie hin (ich nenne sie jetzt ganz einfach mal Rosalie) besichtigte ich noch kurz das Dorf „Almócita“ ehe ich mich weiter auf den Weg durch die Alpujarras machte.

Almócita
In Almócita findet, wie man mir erzählte, einmal im Jahr, am ersten Wochenende im Mai, ein kleines Festival statt, wo jegliche elektrischen Lichter der Stadt gelöscht werden und dafür alles in schönem Feuerschein erstrahlt. Wer sich zu dieser Zeit zufällig in der Nähe von Almeria herumtreibt, sollte sich dies auf keinen Fall entgehen lassen!

Außerdem gibt es hier die größte Öllampe der Welt zu bewundern. (Die, wie ich meine, für sich genommen, ein schönes Beispiel für die Jagd nach einem Eintrag ins Guinessbuch der Rekorde ist.) Abgesehen davon besticht die komplette Ortschaft durch ihre ausgesprochene Liebe zur künstlerischen Ausgestaltung ihrer selbst. Die Häuserfassaden sind voll von hübschen Wandmalereien und mal mehr, mal weniger sinnvoller Poesie.

Eines dieser Gedichte möchte ich hier in seinen Grundzügen mal kurz rezitieren (frei übersetzt):

„Die Welt braucht Ideen und Abstraktion,
Sie braucht Streicheleinheiten, so Zart, wie der Duft von Zimt,
roten Wein und Marihuana.
Die Welt braucht die Spannung, die sich aufbaut, wenn man in einer Bibliothek anonyme Blicke austauscht.
Die Welt sollte mehr Schwindel in unsere Augen bringen, dort an der Schneide zum Abgrund von so mancher feuchter Lippe.“

…in etwa dem gleichen Stil geht es dann an der nächsten Fassade weiter. Dort ist dann allerdings mehr von Sex und Revolution die Rede.

www.fernerleben.de
Ich hab mich dann im Interesse der Gemeinde mit der Internetadresse meines Blogs ebenfalls noch kurz auf einer Mauer verewigt, allerdings etwas abseits: Auf jener Plaza, wo auch der Weltrekordhalter unter den Öllampen steht.

Alpujarras
Nachdem das erledigt war, ging es weiter durch die Gebirgsregion der Alpujarras. Ziel des heutigen Tages war Órgiva, wohl eine der größten Ortschaften der Region und ihrerseits Heimat für zahlreiche Aussteiger und Hippies, die mit den Gedichten aus Almócita sicherlich mehr anfangen können, als ich an jenem Morgen.

Alpujarras
Als ich die Enklave am Fuße der Sierra Nevada erreichte, war der Tag natürlich schon wieder am dämmern. In der Ortsmitte herrschte ein ungleich reges Treiben. Es war Samstag Abend und wie sich später herausstellte, nicht irgendein Samstag Abend, sondern ein absonderlich feierlustiger Samstagabend: Es war Feria.

Ehe ich mich dem Straßenfest widmen konnte, musste ich mich jedoch erst einmal in Bezug auf eine Übernachtungsmöglichkeit zurechtfinden. Der ursprüngliche Plan bedeutete, nach Órgiva zu fahren, sich nach der Hippie-Kommune Beneficio durchzufragen, zuvor noch etwas Wegzehrung für den nächsten Tag einzukaufen (denn dann sollte es quer über die Sierra Nevada gehen) und den weiteren Verlauf des Abends gemütlich auf sich zukommen zu lassen.

Natürlich hatte davon nichts so statt gefunden, wie es ursprünglich angedacht war. Und dafür gibt es mehrere Gründe: Allem voran sicherlich die Unmöglichkeit etwas Proviant zu solch später Stunde aufzutreiben. Es war wie schon gesagt Samstag Abend und alle Geschäfte hatten bis auf einen kleinen Laden, in dem es quasi nichts anderes außer Bier und Chips gab, geschlossen. Da ich eh schon in dem Laden war, kaufte ich mir in diesem Zuge ein Landebier und schaute mal auf der Karte nach, wo sich Beneficio so verbarg. – Aha, 500 weitere Höhenmeter und gute 7 km den Berg hinauf versteckte sich die Kommune in irgendeinem Wald. Nach der heutigen Strecke und der bereits einsetzenden Dunkelheit keine nennenswert gute Idee, wie ich zunehmend der Meinung war. Zudem wurde das Treiben auf der Straße immer bunter, Frauen mit ausladenden Röcken spazierten an mir vorbei, hier ein paar Pferde und dort ein verwahrlostes Hippie-Mädel, das mich nach einem Euro anschnorrte. Mensch, ihr fielen fast die Kleider vom Leibe, als sie versuchte, diesen im Anschluss irgendwo zu verstauen!

Es half alles nichts, ich fuhr den Berg, den ich eben hochgefahren war, wieder hinab und kehrte im Tal auf dem örtlichen Campingplatz ein. Der war zwar ebenfalls bereits geschlossen, das störte aber wohl nicht weiter.

Nach kurzer Auskunft des Restaurantpersonals, könne ich mein Zelt einfach irgendwo aufstellen und die üblichen Modalitäten am nächsten Tag erledigen. Gesagt, getan und nach einem kurzen Zwischenstopp in einer leckeren Pizzeria ging es auch schon wieder den Berg hinauf, zurück Richtung Feria. Diesmal zu Fuß.

In diesem Zusammenhang möchte ich meinen Beitrag aus den Bumerang-Vereinsnachrichten zitieren, der es damals aufgrund des elendig langen Satzbaus, wohl nie so recht zur Veröffentlichung geschafft hat:

Feria in Órgiva
Ein Abend im „Schwarzen Schaf“:

Die „linke Bar, rechte Bar“-Situation, wie ich sie anno 2014 bereits in Portugal und auf meiner diesjährigen Reise in einem kleinen Städtchen in Frankreich, das den Titel gleich zweier Heiligen teilt, vorfand, verliert an Bedeutung, wenn sich die beiden zur Auswahl stehenden Etablissements, auf gegenüberliegenden Straßenseiten befinden, durch die Menschenmassen, die sich während einer Feria, eines spanischen Straßenfestes, auf eben dieser einfinden, verbunden und von karnevalsartigen Umzugswägen, teilweise nicht viel mehr als ein Wohnwagen ohne Wände aber in ein Baströckchen gehüllt und mit dicker Soundmaschine an Bord, die die Konnektivität zwischen den beiden durchbrechen, wie eine Concorde die Schallmauer, ab und an immer mal wieder getrennt. Wer hier in diesem Nebensatzgewusel also den Überblick behält, der läuft auch nur mäßig Gefahr, sich auf dem eben beschriebenen Straßenzug zu verlaufen, höchstens er müsse mal pissen, was man natürlich in einer Seitengasse neben einer umgeworfenen Waschmaschine und einer zur Seite gestellten Matratze erledigt. Je nachdem wie man die Situation also betrachtet, könnte es sich bei beiden Kneipen, die in jener Nacht lautstark zur Diskothek mutierten und eigentlich auch nur zur besagten Straßenfestzeit bzw. vielleicht, aber auch nur vielleicht, auch mal zu anderer Zeit existieren, nur um daraufhin ihre Schotten wieder dicht zu machen, so zumindest das „Schwarze Schaf“, um die linke Bar handeln, die ich ja nach gelebter Weisheit jedem empfehlen kann, offenbaren sich danach oft doch unglaubliche Gute-Nacht-Geschichten, meist noch mit Auswirkungen am nächsten Tag. So war auch das halbe Personal der Pizzeria dort versammelt, in der ich zuvor und jetzt gerade wieder so vorzüglich speise. Peinliche Momente blieben mir aber glücklicherweise erspart, so schmeckt die Pizza auch heute noch. Ehe die Sätze jetzt noch kürzer werden, fasse ich mich knapp: Morgen geht’s zu den Hippies und danach auf hoffentlich noch nicht schneebedeckte Berge. – Grüße aus Órgiva nach Hirsau!
…die andere Bar (ob jetzt links oder rechts, wer weiß das schon) hieß übrigens „Ampel“. – Warum? Weil sie neben einer Ampel steht. Deswegen. Und zwar ganz eindeutig rechts davon.

Der nächste Tag übermannte mich, wie man sich schon denken kann, mit dem aufdringlichen Gefühl, heute erst einmal gar nichts zu tun. So verschob ich eben alles wieder mal auf „mañana“.

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