Sainte Marie, Ich komme!

29. Juni 2016

Tag 16 – Vom Lac du Salagou bis nach Sainte Marie

Wie hätte es andres kommen sollen? – Nach dem getanen Reisebericht und etwas Einspielen auf der Gitarre, packte ich die selbige, den Packen schmelzender Eiswürfel inklusive einer Flasche Rosé als Gastgeschenk zusammen und begab mich auf unwegsamen Pfaden am Seeufer entlang zu der illustren Gesellschaft. Nach einigen netten Vorstellungsgesprächen wollte mir mancher einer nicht so richtig glauben, dass ich wirklich allein am See eingetroffen war. Nachdem ich diese Meinung nun aber mehr als beharrlich vertrat, gestattete man mir, mich unters Volk zu mischen. So konnte ich dank meiner Gitarre dem blechernen Techno-Sound etwas Abhilfe leisten und für Musik sorgen, die meiner Ansicht nach viel besser an ein gemütliches Seeufer passte.

Schwuppdiwupp (Ich bin begeistert! – Bei all den seltsamen Wörtern, die ich so verwende, scheint dieses der Rechtschreibfunktion meines Open Office Programms – man glaubt es kaum – bekannt zu sein. Nun ja, vielleicht hat es auch einfach die Geduld mit mir verloren…) war es auch schon 2 Uhr und ich musste mich, ob der immer noch herrschenden guten Stimmung Richtung Zelt verabschieden. Die fortgeschrittene Uhrzeit in Kombination mit der morgen anstehenden Etappe würde sich bereits jetzt schon rächen.

Und so war es dann auch. Nachdem ich von den betrunkenen Rufen eines Zurückgebliebenen wach wurde, der wohl irgendwann am frühen Morgen den Anschluss an seine Gruppe verpasst hatte und sich nun leicht sediert auf die Suche nach dieser begab, lugte auch ich vorsichtig aus dem Zelt. Irgendwie bildete ich mir den Morgen über ein, leichten Regen auf dem Zeltdach vernommen zu haben. Letztendlich entpuppte sich dieser dann aber doch nur als Rascheln der Blätter. Gut so. Von Regen war trotz der leichten Bewölkung weit und breit keine Spur.

Nach einem erfrischenden Bad im See packte ich gemächlich meine sieben Sachen zusammen und gesellte mich auf mein Fahrrad. – Zwar leicht verspätet, aber dennoch begrüßte ich ob des gestrigen Abends die Abfahrtszeit um 11 Uhr mit einem kurzen Applaus meinerseits.

Voller Energie (man glaubt es kaum) brach ich gen Sainte Marie auf. Den ersten 30 km und auch den heftigsten Bergen an diesem Tag begegnete ich mit einer dermaßen immensen Motivation, dass ich beinahe der Illusion verfiel, ich könne bereits am Nachmittag mein Ziel erreichen.

Dieser Motivation wurde natürlich (wie konnte es auch anders sein) bald Abhilfe geleistet, als mich das ständige Auf und Ab entlang einer langgezogenen Hauptverkehrsstraße, die nach Bézier führte, so langsam aber sicher entnervte. Kurz vor der Stadtgrenze entschloss ich mich deshalb für einen kurzen Halt in einer Seitenstraße um mich an einer Melone zu vergehen. Kein allzu sehr ruhiges Plätzchen für eine „Brotzeit“ wie ich sehr schnell bemerkte. Entwickelte sich die kleine Seitenstraße kurz nach meinem Halt, doch auch wieder zur Hauptverkehrsader zwischen den Vororten Béziers und lies mir ob ihrer schmalen Beschaffenheit nicht einmal die Möglichkeit, mein Fahrrad gemütlich am Straßenrand abzustellen. So musste ich ihr erst mal ein gutes Stück in eine völlig falsche Richtung folgen, ehe ich einen Parkplatz für Alfred fand. Dort lies ich mir dann allerdings die Möglichkeit für ein Foto dieser dann doch etwas eintönigen Landschaft nicht entgehen.

öde Landschaft
Und zwar einfach nur so, damit ihr auch einen Eindruck davon bekommt, wie herzallerliebst unromantisch eine nicht ganz so bergige Gegend sein kann. (Wenn auch nur im kartographischen Sinne.)

Béziers
Béziers

Kanal
Doch irgendwann hatte ich auch die Berge, die eigentlich keine Berge sein sollten, hinter mich gebracht und folgte von Narbonne aus einem kleinen Kanal Richtung Meer. Wie es schien, machte sich an diesem Kanal, nachdem er bereits ein paar Kilometer aus der Stadt hinausgeführt hatte, eine neue Art von Schrebergarten-Kultur breit. So fand ich am Wegesrand einige, leicht improvisierte Zeltaufbauten vor, mitunter sogar inklusive minimalistisch angelegter Gärten und mutmaßte, dass hier wohl die Obdachlosen aus der Gegend das Quechua Zelt einer netten Brücke vorziehen. – Durchaus nachzuvollziehen.

Reis
Und das ist der Beweis: Es gibt Reis, Baby!

Kanal
Ein paar Kilometer später, 100 waren es knapp auf dem Tacho, folgte dann (ich traute meinen Augen kaum) mein Rastplatz von vor anno 3 Jahren zwischen den örtlichen Salzseen, Meer und Kanälen (wobei das Meer noch weit entfernt lag). Zu dumm, dass ich die zweite Melone bereits 5 km früher verspeiste. Ich begrüßte die ganze Situation dennoch mit ein paar fröhlichen Hupen seitens Alfreds (hört sich komisch an, ist aber so).

Port la Nouvelle
Was darauf geschah wart Port la Nouvelle. Port la Nouvelle, wo man mir seinerzeit in einem Campingplatz verweigerte meine leeren Trinkflaschen mit Hahnenwasser zu füllen. Port la Nouvelle, oh was bist du doch so belle. Ach Port la Nouvelle…

Salzseen
Was nun wirklich darauf geschah, oder was ich mehr oder weniger ob der bereits etwas fortgeschrittenen Zeit geschehen lies, war, die Streckenvorschläge meines Navis wider meines besseren Wissens einfach hinzunehmen.

Salzseen
Vorerst führte mich dies an einer idyllischen Küstenlandschaft vorbei, wo Wasser und Himmel Eins zu werden schienen. Nicht schlecht, fürs erste. Danach, oder besser gesagt während dessen, auf einen Weg, der seiner Bezeichnung erst noch gerecht werden muss.

Also klopfte ich Alfred auf den Lenker und meinte „Hey, wenn du schon so erfolgreich die Berge vor St. Andre de Roquepertuis hinter dich gebracht hast, kommst du auch sicherlich gut mit all dem scharfkantigen Allerlei unter deinen Reifen klar, was sich eben gerade dort so hingesellt.“ – Keine 10 Sekunden später und es machte „Pffffft….“ aus Richtung meines Hinterrads. – „Ist das jetzt mein erster Platten? Alfred? Ist das nun dein erster Platten, nach groben 6500 km plus ein paar Zerquetschten? – Ja das ist er wohl.“ Die schwere Beladung, die spitzen Steine und all das, was da sonst noch so herumlag, taten ihr übriges dazu. Und mein Ziel würde ich wohl nicht wie angekündigt gegen 10 Uhr erreichen. Mist! Auch die vielen Millionen Sandfliegen, die trotz meiner Versuche, sie mit schwingenden Fahrradschläuchen und Insektenmittel zu vertreiben an meiner schweißüberfluteten Haut kleben blieben, um dort nicht gerade sehr sinnvolle Dinge zu treiben (erst beißen, dann kleben bleiben, dann verrecken) machten aus dem Schlauchwechsel alles andere als eine wohlverdiente Pause. Vor allem, da ich nun sichtlich verspätet in Sainte Marie ankommen werde, was mit dem Restaurantbesuch in der Tapas-Bar „L’Indalo“ ganz klar im Widerspruch stand.

Alfred auf dem Kopf
War ja aber irgendwie klar, dass sowas irgendwann (und wenn nicht irgendwann, dann sicherlich heute) passieren musste.

Als wäre dem bereits nicht genug gewesen, folgte auf den kaputte Schlauch auch noch ein Achter im Hinterrad. – Wobei sich der Achter wahrscheinlich schon vorab durch die schwere Beladung langsam bemerkbar gemacht hatte (nur mit dem Vorteil, dass ich ihn nicht bemerkte).

Alle guten Dinge sind natürlich Drei. Und der Weg, den ich vor 3 Jahren aus sichtlich guten Gründen nicht eingeschlagen hatte, tat sein Übriges dazu.

idyllische Fahrradwege
Da waren sie wieder, die mehr als idyllischen Fahrradwege. Wunderbar für eine Downhill-Tour mit dem Mountainbike – keine Frage. Und ich werde mich auch sicherlich nie wieder darüber beklagen, mit meinem Fahrrad auf relativ normalen Straßen einen Berg hinaufzufahren, um es infolge dessen auf unwegsamem Gelände wieder hinunter zu schieben. – All das offenbart sich einem erst wenn man es mal anders herum erlebt hat. 40% Steigung mit einem 50 Kilo schwer beladenen Fahrrad auf Trampelpfaden zu bewältigen, grenzt an dem Unterfangen, einen Baumstamm über schwer zugängliche Treppen im Dachgeschoss einer Wohnung in Stuttgart West unterzubringen.

Doch auch das sollte irgendwann geschafft sein. An ein Umkehren, um auf die Hauptstraße auszuweichen, verschwendete ich allemal den Hauch eines Gedankens.

Salzseen
So kam ich dann letztendlich gegen gut 10 Uhr abends an einem Pizza-Service in Leucate vorbei, stärkte mich noch schnell für den Rest der Strecke mit einer Coke, machte über telefonische Umwege dem Restaurantbesuch an diesem Abend den Gar aus und managte die restlichen verbliebenen 25 km motiviert wie ein Schnitzel innerhalb von einer Stunde.

Hupend und johlend fuhren Alfred und ich um 11 Uhr in Sainte Marie ein, nur um an jeder Ecke und Straßenkreuzung das selbe abermals zu wiederholen. Meine Eltern empfangen mich fröhlich und sichtlich erleichtert mit einem wohlverdienten Abendessen zu später Stunde und ich lies es mir einfach nur richtig gut gehen. Das ist die die Belohnung für 150 km, 12 Stunden Fahrt und einige unvorhergesehene Strapazen mehr. Super!

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